Durchsicht meiner Konten
Mir gehören keine Wälder,
kein Geschäft und kein Betrieb,
keine Firma mit nem Briefkasten –
und hab auch keinen Kiep.
Jeden Tag kommt eine Rechnung
durch den Briefschlitz in der Tür,
sogar wenn ich gar nicht da bin –
und ich weiß gar nicht wofür.
Bei der Durchsicht meiner Konten
fehlt mir immer ne Million,
bin nur ein vom Pech Verfolgter –
meistens hat die einer schon -
dabei hätt ich, dabei hätt ich,
hätt ich auch gern ne Million -
dabei hätt ich, dabei hätt ich,
hätt ich auch gern ne Million.
Bin zu doof für jede Quizshow,
weil ich zuviel Hilfe brauch.
Ich krieg nirgends eine Chance,
kein Big Brother, und kein Jauch.
Ob bei Lotto oder Toto,
bringt mir netto alles nix.
Reiß mir Scheine aus der Wand –
die sind verschwunden viel zu fix.
Bei der Durchsicht meiner Konten
fehlt mir immer ne Million,
bin nur ein vom Pech Verfolgter –
meistens hat die einer schon -
dabei hätt ich, dabei hätt ich,
hätt ich auch gern ne Million -
dabei hätt ich, dabei hätt ich,
hätt ich auch gern ne Million.
Habe Wünsche, habe Träume,
hab auch Kosten und Konsum.
Und natürlich hab ich Schulden –
ohne die: Kein Eigentum.
Hab Kredit und kenn mein Dispo,
auch wenn ich es überzieh.
Werd meine Raten nie verraten.
Wetten? Du errätst die nie....
Bei der Durchsicht meiner Konten
fehlt mir immer ne Million,
bin nur ein vom Pech Verfolgter –
meistens hat die einer schon -
dabei hätt ich, dabei hätt ich,
hätt ich auch gern ne Million -
dabei hätt ich, dabei hätt ich,
hätt ich auch gern ne Million.
Ich leb wirklich sehr bescheiden,
solang bis ich mir was gönn.
Hab zum Sparen kein Talent.
Es gibt halt Leute, dies nicht könn.
Ich bin ohne reiche Tante,
und mein Opa ist längst tot.
Und kein Mensch will mir was spenden –
so als gäbs da ein Verbot.
Bei der Durchsicht meiner Konten
fehlt mir immer ne Million,
bin nur ein vom Pech Verfolgter –
meistens hat die einer schon -
dabei hätt ich, dabei hätt ich,
hätt ich auch gern ne Million -
dabei hätt ich, dabei hätt ich,
hätt ich auch gern ne Million.
Copyright 2000 Gerd Schinkel
Die Parteispendenaffäre der CDU mit den spurlos verschwundenen Millionen und den treuherzigen Aussagen, mit denen uns diejenigen für dumm
verkaufen, die eigentlich mehr wissen müssten, als sie sagen wollen, wie beispielsweise der frühere CDU-Schatzmeister Walter Leisler Kiep. Das Lied ist meine Reaktion auf seine unglaubliche
Zeugenaussage vor Gericht, als es um die Aufklärung des CDU-Parteispendenskandals ging. Ihm sei, so erklärte er treuherzig, bei der Durchsicht seiner Konten aufgefallen, dass dort auf einmal eine
Million mehr war als von ihm vermutet… Entstand 2001.
Vielleicht noch eine Erklärung dazu, wieso ich ab Mitte der achtziger Jahre deutlich weniger politische Lieder schrieb als in den siebziger und zu Beginn der achtziger Jahre: Als politischer Redakteur konnte ich inzwischen – anders als während des Studiums – meine Ansichten zu politischen Vorgängen in Prosa-Kommentaren formulieren und im Radio verbreiten. Dadurch ging schon viel „Druck aus dem Kessel“, so dass der Antrieb, sich mit diesem Thema auch noch in einem Lied zu beschäftigen, geringer wurde. Das war nicht unbedingt ein Nachteil, denn so konnte mehr Kreativität in Lieder mit längerer „Halbwertzeit“ fließen. Die Lust am politischen Lied kam dann allerdings etwa ab 2005 verstärkt zurück.