Du könntest meine Tochter sein

 

Es schmeichelt mir, wie du mich ansiehst.

So ein Blick macht schwach.

Ist das ein Spiel? Ich spiel nicht!

Denk vor jedem Zug lang nach.

Tauch ein in deine Augen

und schweb im Sekundentraum.

Fall auf den Boden: Umgeknickt

wie ein zu morscher Baum...

 

Du könntest meine Tochter sein.

Wenn ich dein Vater wär,

dann säh die Sache anders aus:

Es fiel mir nicht so schwer,

dich einfach in den Arm zu nehmen,

ohne ein Gespür,

das mehr will als den Wangenkuss,

wenn ich dich zart berühr...

 

Wenn deine Hand auf meinem Arm liegt

und du lachst mich an,

wünsch ich mich näher hin zu dir

und weg, so weit ich kann...

Ich taumle in Gedanken,

hilflos hadernd mit dem Glück,

das mich vor mir zum Narren macht,

zum Hans-Wurst, lang, am Stück...

 

Mag sein, dass ich dir stattlich vorkomm –

ich weiß zu genau,

was bleibt, sieht man es nüchtern:

Alter Mann und junge Frau...

Seh mich als Rentner schon zu Haus –

es dauert nicht mehr lang.

Bin mir für dich nicht jung genug -

mir fehlt der Frühlingsdrang...

 

Copyright 2003 Gerd Schinkel

 

Ich bin als Einzelkind von einer alleinerziehenden Mutter großgezogen worden, die nur zwanzig Jahre älter war als ich. Nach ihrer gescheiterten Ehe hat sie sich ohne Trauschein mit einem Mann verbunden, der ihr Vater hätte sein können. Dass dies nur wenige Jahre funktioniert hat, erscheint mir im Rückblick nicht verwunderlich...