OH MANN 

 

Ich häng überm Tresen und stier vor mich hin.

Ich kann nur noch lallen, denn mehr ist nicht drin.

Wenn ich mich beweg, greif ich nur nach meinem Glas.

Mechanisch trink ich aus – auf meinen Durst, da ist Verlass...

 

Die Striche auf dem Deckel zeigen jedem, ders nicht weiß:

Ich kann allerhand vertragen. Jeden Abend ein Beweis...

Keiner reicht mir da das Wasser, alle sauf ich untern Tisch.

Und wenn andere schon kotzen, bin ich immer noch top-frisch...

 

Oh Mann - bin ich stark.

Oh Mann - bin ich stark.

Wie ich mir imponier.

 

Ich bin völlig ohne Absicht und such gar nicht nach nem Rausch.

Nebenbei nur ein paar Gläschen. Geb den Frust dafür zum Tausch.

Und vernünftig bin ich auch: Komm zu Fuß und mit der Bahn.

Später kann mich meine Frau ja mit dem Wagen heimwärts fahrn...

 

Wenn ich n paar gekippt hab, fühl ich mich so richtig wohl.

Der Alltag ist verflogen und der Magen nicht mehr hohl.

Ich trink noch ein paar mehr, bevor ich meine Zeche zahl.

Den Deckel werf ich weg, weil ich mit sowas ja nicht prahl...

 

Oh Mann - bin ich stark.

Oh Mann - bin ich stark.

Wie ich mir imponier.

 

Mechanisch steh ich auf, nehm was mir gehört und geh.

Ich fühl mich ganz okay, wenn ich so auf den Beinen steh.

Da reißt mein Film und alles, was danach noch weiter läuft,

das hab ich lange vorher schon im Alkohol ersäuft...

 

Zu Hause kommt die Frau mir quer – da lang ich kurz mal hin.

Die Alte soll pariern! Sie ist nicht meine Herrscherin...

Dann penn ich in Klamotten, werd am Morgen stinkend wach,

und an den Abend, da erinner ich mich nicht mal schwach....

 

Oh Mann - bin ich stark.

Oh Mann - bin ich stark.

Wie ich mir imponier.

 

Copyright Anfang der 80er Jahre Gerd Schinkel

 

Aus der Kategorie „Noch so’n Satz – Zahnersatz“ gibt es den Spruch „Die Weiber und der Suff reiben den Menschen uff...“ Er blendet aus, dass zu häufig gerade Frauen unter saufenden Männern zu leiden haben, insbesondere wenn der Alkohol zum Verlust von Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle führt. Gelegentlich verselbständigt sich die Ansammlung von Strichen auf dem Deckel, und zu oft machen es sich die Säufer auch zu leicht, wenn sie es beharrlich ablehnen, sich selbst Grenzen zu setzen. Eine Art „Anti-Respektsbezeugung“ gegenüber denjenigen, die bei den anonymen Alkoholikern am besten aufgehoben wären – oder in einer Trinkerheilanstalt. Und wenn sie dann noch im Suff zur Gewalttätigkeit neigen, ist eh alles zu spät... geschrieben 1982