EPITAPH FÜR PHIL OCHS

 

Ein Freund gab mir die Nachricht,

die aus den Wolken fiel.

Er sprach von deiner Reise

in endloses Exil.

 

Du hast die Grenze dicht gemacht,

den Riegel vorgesperrt,

den Steg hinter dir durchgesägt.

Hast du dich so gewehrt?

 

Wie konnte das geschehen?

Wer schuldet Rechenschaft?

Schweres war für dich Ansporn.

Was ging über deine Kraft?

 

Wer hat die Stimme dir geraubt?

Den Atem dir gekürzt?

Wer hat den Brunnen leer geschöpft?

Den Felsen umgestürzt?

 

Sag, was machst du nun,

nach dem Tod?

Viel lässt du hinter dir.        

Wir müssen damit leben,

und wir

brauchten dich doch hier.

 

Ich weiß nicht: Kannte ich dich gut?

Du hast mich nie gesehn.

Erfahren hab ich viel von dir,

sah dich oft vor mir stehn.

 

Wenn ich eins deiner Lieder sang,

dann stellte ich mir vor:

Was würdst du sagen, wärst du hier,

und ich sänge sie dir vor.

 

Warum hast du den Mut verlorn?

Ich hab mich oft gefragt.

Die Zukunft liegt in unsrer Hand.

Du hast es selbst gesagt.

 

So viel ist faul auf dieser Welt,

was um uns her passiert.

Doch gibt es nur Veränderung,

wenn keiner resigniert.

 

Sag, was machst du nun,

nach dem Tod?

Viel lässt du hinter dir.        

Wir müssen damit leben,

und wir

brauchten dich doch hier.

 

Copyright 1979 Gerd Schinkel

 

Phil Ochs, einer der wichtigsten politischen Liedermacher der USA, war für mich ein großes Vorbild. Als mich Pfingsten 1968 Schulfreunde mit aufs Songfestival auf der Burg Waldeck im Hunsrück nahmen, war er auch da – aber ich hab ihn verpasst, weil ich noch gar nichts von ihm wusste und mir der billige Wein wichtiger war. Als ich zwei Jahre später die ersten Lieder von ihm hörte, haben mich seine Stimme, seine Melodien und seine Texte so sehr gefesselt, dass ich von ihm im Laufe der Zeit mehr als 50 Lieder in meine Sprache übersetzt oder übertragen habe. Als er sich 1976 im Alter von nur 36 Jahren das Leben nahm, war ich fassungslos. Erst drei Jahre später schrieb ich dieses Lied, um ihm einen eigenen „Grabstein“ zu setzen und darauf meine Fragen an ihn zu formulieren.

 

Es ist ein Lied, das einem nicht aus dem Ärmel rutscht. Phil Ochs hat mich von allen amerikanischen Singer/Songwritern am meisten beeindruckt, jedoch nicht unbedingt beeinflusst. Seine Lieder, in denen er kompromisslos für eine bessere Welt sang, hatten ihn - neben dem „Altlinken“ Pete Seeger - zum wichtigsten jungen Sänger der Bürgerrechtsbewegung und Vietnamkriegsgegner werden lassen. Dass er sich mit seiner fast besessenen Suche nach künstlerischer Anerkennung und vor allem kommerziellen Erfolg selbst überfordert hat, war sein tragisches Schicksal. Am Ende einer langen Zeit voller Resignation, Depressionen und Selbstzweifeln nahm er sich im Frühjahr 1976 im Alter von 36 Jahren das Leben. Das Lied schrieb ich 1978.

 

Einige Jahre danach hab ich versucht, diesen Text auch in die englische Sprache zu übertragen, um so unter den Phil Ochs-Fans auch diejenigen zu erreichen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind.

 

Epitaph for Phil Ochs      Gerd Schinkel

 

The news a friend had told me just fell out from the grey.
He spoke about your journey. You had no way to stay.
You closed the barrier, blocked the door to find a final end
and sawed the plank you’ve crossed to leave a life you could not stand.

 

How could that happen? Who’s to blame? And don’t try to excuse.
No challenge there you would not face. You were not bound to lose.
Who stole your voice out of your throat? Who took your breath away?
Who drained the well once full of life? Who made the sky turn grey?

What are you doing now that you’ve gone. You’ve left so much behind.
We have to face it while we live with no one like you to find.

 

I don’t know if I knew you well. Your path I never crossed.
I’ve read about you, dreamed to meet you, never thought you might get lost.
And when I sang a song you wrote, I would have loved to know,
if you liked what you heard and if you liked my show


Why did your courage fade away and could no longer stay.
The future’s always in our hands. That’s what you’ve said the other day.
There’s so much rotten in this world.
Look for a better one to find
and changes will come, we will see, when at least no one resigned.

What are you doing now that you’ve gone. You’ve left so much behind.
We have to face it while we live with no one like you to find.