DER TAG

 

 

 

Der Tag kam, der alles anders machte:

 

nichts war mehr so, wie ich es mir dachte.

 

Der Horizont nah mit Übersichtlichkeit,-

 

die Ewigkeit vor Augen - nicht mehr ewig weit.

 

Der Tag, an dem nichts mehr so blieb wie es war,

 

kam nicht überraschend, dass er kam, war ja klar.

 

Und er ließ keine Zweifel: Es ist alles begrenzt:

 

Was dir bekannt ist und auch das, was du nicht kennst.

 

 

 

Der Tag, vor dem alles noch anders gewesen,

 

fing an, wie alle andern: Mit Zeitung lesen.

 

Dann hat es geklingelt - ich war grad nicht im Raum.

 

Das Telefon überhör ich sonst kaum.

 

Der Tag, an dem ich die Nachricht erfahren,

 

war anders als alle andern, die vorher waren.

 

Die Gegenwart wurde viel mehr zur Realität.

 

Ferne Zukunft zu planen, dafür war es zu spät.

 

 

 

Der Tag war kein Tag, um den Mut zu verlieren.

 

Was er mitgebracht, konnt jeden Tag doch passieren.

 

Schließlich ist davor ja keiner gefeit.

 

Hat man das Alter, ist man besser bereit.

 

Der Tag ging vorüber, wurde dunkel zur Nacht -

 

und ich hab überlegt, ob er mich bange macht.

 

Es hängt von mir ab, ob ich mich ängstigen lass -

 

was kann schon passiern? Nur, dass ich was verpass.

 

 

 

Der Tag geht vorüber zur späten Stunde.

 

Hab noch Galgenfrist für ne Ehrenrunde.

 

Brauch nicht zu rätseln, wofür reicht noch die Kraft.

 

Was man geschafft hat, das hat man geschafft.

 

Und was nicht mehr geht, hak ich unfertig ab -

 

dafür war dann halt die Zeit doch zu knapp.

 

Doch noch ist es zu früh, dass ich schon bilanzier‘ -

 

Will das Leben genießen – noch bin ich ja hier.

 

 

 

Der Tag, der alles anders gemacht, geht vorbei.

 

Mach von trüben Gedanken mich, soweit ich kann, frei.

 

Krall mit Zeh‘n mich am Teppich, so lang es geht, fest,

 

erfreu mich, wenn’s geht, am verbleibenden Rest.

 

Jetzt lange zu jammern, dafür gibt’s kein‘ Grund.

 

Was ich im Leben erlebt hab, war gut und war rund.

 

Wird mir eine Zugabe jetzt noch gewährt,

 

wäre, sie zu verschmähen, undankbar und verkehrt. 

 

 

 

Der Tag, an dem nichts, wie’s gewesen, geblieben,

 

ließ sich nicht einfach auf Seite schieben.

 

Er lässt dich nicht so tun, als wär‘ gar nichts geschehn,

 

und du könnt’st unbehellig so weitergehn.

 

Doch wie jeder Tag hat auch dieser sein Ende.

 

Und direkt folgt ein neuer – also: Spuck in die Hände:

 

Es gibt viel zu regeln, zu ordnen, zu tun –

 

danach ist viel Zeit, um sich auszuruhn…

 

 

 

Copyright 2020 Gerd Schinkel