Der Kardinalsfehler

 

Der Wind verändert oft die Richtung.

Die Sonne geht von Ost nach West.

Priorität geht nach Gewichtung,

die jeder selbst setzt, den man lässt.

Wie jeder mag, kann jeder glauben.

Nicht jeder braucht dazu den Dom.

Schließlich gehört der auch den Tauben

und nicht allein dem Papst in Rom.

 

Den Dom besteigen hoch im Turm   

ist eine Qual –

doch wie viel schwerer zu ertragen ist in Köln

der Kardinal…           

 

Der Dom reckt schwarz und spitz die Türme.

Durch Abgasgift zerfällt der Stein.

Und doch erträgt er alle Stürme.

Erhebt sich trotzig übern Rhein.

In seinem Innern kalt und mächtig,

dämmrig durch bunt gebrochnes Licht.

Mancher meint protzig, mancher prächtig –

die Tauben interessiert das nicht.

 

Rund um den Dom der Tauben Nachlass

ist fatal –

doch wie viel schwerer zu ertragen ist in Köln

der Kardinal…

 

Der Dom erlebte viele Kriege.

Nicht nur manch Fenster ging entzwei.

Auch manche Kardinalsintrige

ging mit der Zeit auch mal vorbei.

Ein Fenster - grau, wie das Gemäuer -

erhielt ein neues, buntes Glas.

Kunstvoll gestaltet, wertvoll, teuer.

Und viele fanden daran Spaß.

 

Den Dom zu lassen, wie er ist,

wär nicht normal.

Doch wie viel schwerer zu ertragen ist in Köln

der Kardinal.

 

Der Inquisitor aus dem Osten,

den Kölnern aufgedrückt von Rom,

auf Dauer auf verlornem Posten –

ein Wicht, verglichen mit dem Dom.

Ein Klon aus längst vergangnen Zeiten,

als man den Dom zu baun begann:

Kann über Kunst mit ihm man streiten?

Mit dem, der nichts begreifen kann...

 

Die Chance, den Dom mit Licht zu fülln,

ist eher schmal -

doch wie viel schwerer zu ertragen ist in Köln

der Kardinal.

 

Hats ihn in unsere Zeit verschlagen?

Zu uns gebeamt? Zu uns verbannt?

Weiß er von wem? Kann man ihn fragen?

Von welchem Stern? Aus welchem Land?

Von welchem Volk? Wer sind die Seinen?

Was will er hier auf dieser Welt?

Und welche „Art“ mag er wohl meinen,

wenn er was für „entartet“ hält…?

 

Rund um den Dom der Tauben Nachlass

ist fatal –

doch wie viel schwerer zu ertragen ist in Köln

der Kardinal…

 

Copyright 2007  Gerd Schinkel

 

Die Kölner sind im Verlaufe ihrer Geschichte mehrmals mit ihren obersten kirchlichen Würdenträgern arg gebeutelt gewesen - und haben sie alle überdauert. Das war schon im Mittelalter so und wird auch in der Gegenwart nicht anders sein. Seit geraumer Zeit schlagen sie sich mit einem besonderen Prachtexemplar herum, dem es immer wieder gelingt, nicht nur seine eigene Weltfremdheit eindrucksvoll zu demonstrieren, sondern auch seine besondere Fähigkeit nachzuweisen, erst zu reden bzw. zu handeln, und dann zu denken. Insbesondere hat er ein erstaunliches Talent bei der Verwendung fataler Unworte aus seinem aktiven Wortschatz. Beispielsweise als es ihm gelang, in einer Rede in Budapest einen Zusammenhang zwischen Schwulen und einem von ihm geforderten Vorgang des „Ausschwitzens“ herzustellen – und anschließend auch noch abzustreiten, genau diesen Eindruck angestrebt zu haben. Bei der Einweihung des Diözesanmuseums in Köln (Kolumba-Museum) leistete er sich eine geschmäcklerische Kritik am heutigen Kunstverständnis. Dabei bezog er sich auch auf das neue, ihm missfallende Domfenster, das von dem weltweit anerkannten deutschen Künstler Gerhard Richter erstellt worden war. In diesem Zusammenhang verwendete er auch das Wort "entartet" – und sprach später von einem Versehen, wodurch die Sache noch pikanter würde. Des Kardinals Wortwahl – so häufig mehr als ein Kardinalsfehler...