SCHON WIEDER 

 

Schon wieder

schlug sie zu, die kalte Macht.

Schon wieder

hat sie Angst und Wut gebracht.

 

Worin lag das Verbrechen?

Warum diese Gewalt?

Wir wollen doch nur leben!

Wir sind noch nicht so alt,

und leben auch noch morgen,

denn heut geht schnell vorbei -

nicht als verseuchte Wohlstandskrüppel:

Radioaktiv statt frei...

 

Schon wieder

deckt der Staat das Kapital.

Schon wieder,

wie vorher so viele Mal.

 

Er schützt vor seinen Bürgern,

die er zu schützen hat.

Was gilt das Recht auf Leben

bei zigtausend Megawatt?

Da geht es um Milliarden –

nicht Menschen, geht ins Mark -

und doch auch um die Menschen:

Um Leben oder Sarg...

 

Schon wieder

wirft der Mammon sein Gewicht.

Schon wieder

zeigt die Fratze ihr Gesicht.

 

Sie grinst, wenn andre leiden,

zählt dabei den Gewinn.

Sie fletscht mit ihren Zähnen,

und da hängt schon mancher drin.

Wachsweich in ihren Händen –

durch Orden, Lob und Geld -

wird jener, der in Blindheit

mit die Entscheidung fällt.

 

Schon wieder

schlagen Knüppelknechte zu.

Schon wieder

schaffen sie sich Friedhofsruh.

 

Die Menschen sollen schlucken,

was man da oben kocht.

Das Volk wird breit geklopft,

wenn es auf seine Rechte pocht.

Verleumdet und geprügelt:

In Brokdorf, Ahaus, Wyhl.

Die Leute wolln bloß leben...

ein verbrecherisches Ziel?

 

Copyright 1976 Gerd Schinkel

 

Neben Hausbesetzungen gab es Ende der siebziger / Anfang der achtziger Jahre Blauplatzbesetzungen, Zufahrtsblockaden, Menschenketten und andere mehr oder weniger romantische und phantasievolle Formen des Bürgerwiderstandes gegen obrigkeitliche Planungs- und Vorsorgemaßnahmen, sei es zu vorgeblichen Energie- oder zur angeblichen Friedenssicherung. Die Gegnerschaften waren eigentlich immer gleich: „Die da oben“ gegen „die da unten“... dieses Lied entstand 1976 unter dem Eindruck der Bauplatzräumung in Brockdorf an der Unterelbe,

 

und irgendwann, um die 25 Jahre später, einen Aktualisierungsversuch als Versuch, den ersten, ursprünglich konkreteren Text mal etwas allgemeiner abzufassen, um das Lied leichter und häufiger, auch für verschiedene Anlässe „verwenden“ zu können. 

 

SCHON WIEDER 2

 

Schon wieder

schlug sie zu, die kalte Macht.

Schon wieder

hat sie Angst und Wut entfacht.

 

Worin lag das Verbrechen?

Warum diese Gewalt?

Wer hat das angeordnet?

Wer war so brutal und kalt?

Wir haben uns geäußert.

Die Meinung ist doch frei...?          

Und lautstark, weil es nötig war

und uns nicht einerlei.         

 

Schon wieder

deckt der Staat die falsche Front.

Schon wieder –

und hätts anders doch gekonnt.

 

Er schützt vor wachen Bürgern,

die das Gewissen plagt.

Die Hundertschaften werden

scharf gemacht und losgejagt.

Und wenn die Freiheit draufgeht

und ohne Nachruf stirbt:

Der Polizeistaat wächst und blüht –

Recht auf Papier vergilbt.

 

Schon wieder

wird der lange Arm bewegt.

Schon wieder

wird die Lunte ausgelegt.

 

Gesetz geht vor Erregung,

die Unrecht nicht nur schluckt.

Der Staat schlägt, von Justiz gedeckt,

auf jeden, der nicht duckt.

Ja, wie seit hundert Jahren

die Obrigkeit schon spricht:

Die Ruhe sei, was auch geschieht,

die erste Bürgerpflicht.

 

Schon wieder

schlagen Knüppelknechte zu.

Schon wieder

schaffen sie sich Friedhofsruh.

 

Was sind das für Interessen?

Was hat Priorität?

Wer wach ist, muss sich wehren!

Vielleicht ist es bald zu spät.

Der Staat dient seinen Bürgern.

So sollte es doch sein.

Doch warum knüppelt man auf jene,

die vor Empörung schrein.

 

Copyright In den 90er Jahren Gerd Schinkel