DIE TAGE WERDEN KÜRZER

 

Die Tage werden kürzer.

Der Sommer geht vorbei.

Das Laub fällt aus den Zweigen

und spürt keinen Schmerz dabei.

Ich träum noch von der Wärme,

von Blüten, grünem Baum,

von Licht und Fröhlichkeit:

Einen sagenhaften Traum.

 

Es ist ein schöner Morgen.

Der Schlaf war tief und fest.

Die Brötchen schmecken knackig,

und so lass ich keinen Rest.

Der Kaffee dampft und duftet,

und das Ei ist frisch und weich.

So lob ich mir den Tag,

fühle mich unendlich reich.

 

Die Zeitung auf dem Tisch

berichtet aus der weiten Welt.       

Ich les sie jeden Morgen,

denn sie schreibt, was mir gefällt.

Es gibt kein Land auf Erden,

wo Krieg noch Leiden bringt.

Kein Mensch lebt mehr in Angst.

Jedes Kind mit Freuden singt.

 

Jeder Mensch hat Arbeit,

und niemand leidet Not.

Und keiner wird entrechtet,

gefoltert und bedroht.

Kein Hass frisst in den Adern,

und weder Gier noch Neid,

denn jeder hat genug.

Keiner kennt mehr Einsamkeit.

 

Die Flüsse fließen sauber,

und die Luft ist frisch und klar.

Und einem langen Leben

droht von nirgends her Gefahr.

Wer lernen will, kann lernen.

Die Auswahl steht ihm frei.

Und Arbeitsplätze gibt es

genug, mit Spaß dabei.

 

Ich mach das Radio an:

Es kommt Musik, wie ich sie mag.

Eine nette Stimme liest,

was so passiert am Tag:

Sie spricht von Krieg und Toten,

von Hungersnot und Flut,

von Arbeitslosigkeit,

von Seuchen, Mord und Blut.

 

Die Flüsse sind - laut Gutachten –

gefährdet wie noch nie.

Dem widerspricht ein Gutachten,

bezahlt von der Chemie.

Ein Kernkraftwerk schon wieder

wegen Störung abgestellt.

Doch radioaktive Strahlung

drang nicht an die Außenwelt...

 

Mein Radiowecker wars, der

mich um meinen Schlaf gebracht.

Presslufthammer-Techno-Sound

hat mich ganz wach gemacht.

Der Himmel war verhangen

vom Qualm aus der Fabrik.

Der Techno-Krach ließ nach:

Es kam Werbung statt Musik.

 

Die Nachrichten warn trostlos,

aber Hoffnung gab es kaum.

Ich zog die Decke übern Kopf.

Wo war mein schöner Traum?

Das Plumeau über beide Ohrn

sah ich nur Dunkelheit.

Da flog die Decke weg:

Aufstehn, anziehn - höchste Zeit.

 

Copyright Ende der 70er, Anfang 80er Jahre Gerd Schinkel

 

ein Lied über eine Wachtraum-Vorstellung; war zunächst auf eine Melodie von Jackson C. Frank und hat mit dem Originalthema absolut nichts zu tun. Dann merkte ich, wie „wortreich“ der Text werden würde und bemühte mich um eine Komposition, die dem Rechnung trug und mehr Abwechslung bot; entstand in der "Urfassung" Ende der siebziger Jahre.