ABSCHIEBUNG

 

 

 

Wer gibt solche Befehle? Wer ordnet sowas an?                    eG

 

Wer meint, dass man das so tatsächlich machen kann?       a6D9

 

Mit einer kranken Frau von siebenundsechzig Jahrn              eG

 

menschenverachtend auf diese Art verfahrn?                          a6D9

 

Sieben Beamte holn sie nachts um halb drei ab.                     CH8a6D9

 

Die Zeit was einzupacken ist vergleichsweise nur knapp -     CH8a6D9

 

nur zwanzig Minuten, die lässt man dafür ihr -                          CH8a6D9

 

Stell dir vor, man macht das ebenso mit dir...                           DD/CD/HD

 

 

 

Wer befiehlt, genauso wird das jetzt gemacht -

 

die Frau wird abgeschoben mitten in der Nacht,

 

die klingeln wir im Tiefschlaf um halb drei aus dem Bett

 

sagen ihr, dass sie sich zu beeilen hätt.

 

Sie kriegt ne Viertelstunde, gut - fünf Minuten mehr…

 

dann wird die Tasche, die sie packen darf, auch nicht so schwer.

 

sie dürfte sich im Halbschlaf, führt man sie ab, kaum wehrn

 

und kann sich ja, wenn’s ihr nicht passt, auch hinterher beschwern.

 

 

 

Kannst du dir’s nicht vorstelln, weil du es nicht magst,            a6H8CD9

 

weil du gar nicht wissen willst, wonach du nicht fragst,           a6H8CD9

 

weil dir auch egal ist, was mit dieser Frau passiert,                 a6H8CD9

 

woher weißt du, wie man sein Gewissen ignoriert?                 eCD9G

 

 

 

Was geht wohl der Frau, die nachts geholt wird, durch den Kopf?

 

Hat sie vom Abendessen auf dem Herd den Rest im Topf?

 

Vielleicht kommt es ihr auch so vor, als ob sie alles träumt -

 

hätt sie gerne vor dem Abführn rasch noch aufgeräumt?

 

Sie denkt sicher voller Angst, wo führn die mich jetzt hin?

 

Wissen die von mir denn gar nicht, dass ich herzkrank bin?

 

Hab ich die Tabletten, die ich nehmen muss, dabei?

 

Als sie schließlich abgeführt war, war es kurz vor drei.

 

 

 

Die Tochter und der Schwiegersohn, die Enkel sahen zu.

 

Vorbei war‘s in der abgebroch‘nen Nacht mit ihrer Ruh.

 

Ähnliches war vor Jahrzehnten Vorfahren geschehn,

 

nachts genauso abgeholt, auf nimmer Wiedersehn…

 

Genauso unerbittlich in ihren Uniform‘,

 

Gesetzen, Paragraphen folgend, streng nach jeder Norm…

 

Lebensrecht bestreitend aus dem Weg geräumt –

 

von diesen schlimmen Zeiten hatte sie so oft geträumt.

 

 

 

Kannst du dir’s nicht vorstelln, weil du es nicht magst,            a6H8CD9

 

weil du gar nicht wissen willst, wonach du nicht fragst,           a6H8CD9

 

weil dir auch egal ist, was mit dieser Frau passiert,                 a6H8CD9

 

woher weißt du, wie man sein Gewissen ignoriert?                 eCD9G

 

 

 

Wer denkt, in Köln geschieht das nie, ich übertreib.

 

Sowas gibts doch hier nicht, wie ich es im Lied beschreib,

 

m’r weiß doch, dat et he noh immer joot jejange hätt -

 

die Frau lag sicher noch bis kurz nach acht in ihrem Bett.

 

Wer hält das für geboten, und wer ordnet sowas an?

 

Wer glaubt, dass man den jetzt immer noch befördern kann?

 

Denn er hat ja schließlich seine Arbeit nur gemacht -

 

und hat nur befohlen, was passiert ist in der Nacht.

 

 

 

Vor fünfundachtzig Jahren, wie hat man das da gemacht,

 

nachts, halb drei geklingelt, und die Menschen weggebracht -

 

Menschen auf zwei Beinen, wie jene, die sie abgeführt,

 

die einen haben Angst – und was die anderen gespürt?

 

Wenn einer Befehle ausführt, die ein anderer gibt,

 

kann sich der entlasten, wer die Schuld weit von sich schiebt?

 

Wer sein Denken einstellt, aus ganz eignem Beschluss,

 

entscheidet selbst, ich mach das, weil mir einer sagt, ich muss.

 

 

 

Wenn einer sich versteckt hinter dem, der ihm was befiehlt,

 

wenn er seine Waffe nimmt und dann mit Sorgfalt zielt,

 

fragt nicht, ist es richtig, sagt mir jemand, dass ich’s muss -

 

der trägt seine Schuld, fällt dann durch seine Hand ein Schuss.

 

 

 

Copyright 2020 Gerd Schinkel