Mit dem Mund

 

Es gibt Gegenden im Land,

da ist wohl irgendwas passiert,

denn so manche, die dort wohnen,

die sind gar nicht integriert.

Wenn die miteinander reden,

niemand anders sie versteht.

Kann man das denn akzeptieren -

mancher denkt, dass das nicht geht.

 

Was die sprechen, nenn' die Sächsisch.

Klingt, was sie sagen, denn gesund?

Dabei spricht man's mit der Zunge,

mit den Lippen, mit dem Mund.

 

Manchmal gibt es Menschen, die sich

gegen Nachbarn heftig wehrn,

die nicht reden so wie sie,

weshalb sie sich dann laut beschwern,

und sie sagen, für so Leute

wär' bei ihnen gar kein Platz,

denn die sprächen ja kein Deutsch,

nicht einen fehlerfreien Satz.

 

Dabei könn' sie selbst nur Bayrisch.

Klingt, was sie sagen, denn gesund?

Dabei spricht man's mit der Zunge,

mit den Lippen, mit dem Mund.

 

Es gibt Leute, die nicht wollen,

dass sie andere Menschen sehn,

die sich ungewöhnlich kleiden,

wenn sie durch die Strassen gehn,

Und sie fordern: "Raus mit ihnen!

Schickt sie weg! Die wolln wir nicht,

weil von denen jeder fremd

und auch so unverständlich spricht..."

 

Und sie können selbst nur Fränkisch.

Klingt, was sie sagen, denn gesund?

Dabei spricht man's mit der Zunge,

mit den Lippen, mit dem Mund.

 

Es gibt Landschaften, da wohnen

solche Leute unter sich.

Alles, was sie nicht begreifen,

halten sie für fürchterlich.

Wenn sie bis zum Horizont schaun,

sehn sie nur den Tellerrand.

Auch mal drüber raus zu gucken,

halten sie für hirnverbrannt...

 

Was manche thüringisch da sagen,

klingt das immer so gesund?

Dabei spricht man's mit der Zunge,

mit den Lippen, mit dem Mund.

 

Sächsisch, Thüringisch und Bayrisch,

Fränkisch, Saarländisch und Platt

Schwäbisch, Pfälzisch, Alemannisch -

sag, was deutsch zu sagen ist. -

Westfälisch, Sauerländisch, Hessisch,

Rheinisch, Friesisch, was man spricht,

Sorbisch, Märkisch und Berlinerisch

versteht so mancher nicht...

 

Es gibt Menschen, die sich schämen,

wenn sie sehn, was so passiert:

Mancher, von dem man es nie

gedacht, auf einmal mitmarschiert,

und Parolen hinterherläuft,

die die Tatsachen verdrehn,

gegen Nachbarn auf die Strasse geht -

wie soll man das verstehn...

 

Die Parolen sollen deutsch sein,

doch das klingt nicht ganz gesund,

dabei spricht man's mit der Zunge,

mit den Lippen, mit dem Mund

 

Wer sich Mühe gibt und zuhört,

Ohren aufsperrt, der versteht,

weiß, aus seiner Heimat flieht man nur,

wenn es nicht anders geht.

Wer geflohen ist, den jagt man

nicht so einfach herzlos weg,

lässt ihn menschenwürdig wohnen,

nicht im Dreck oder Versteck.

 

Und sie sprechen ihre Sprache.

Wer die kann, versteht sie und

kann auch reden, mit der Zunge,

mit den Lippen, mit dem Mund...

 

Arabisch, türkisch, kurdisch, persisch -

was sie reden, anders klingt.

Ihre Sprache sie der so

vermissten Heimat näher bringt.

Tief verwundet an der Seele,

auch am Körper oft verletzt,

durch Erlebtes, Widerfahr'nes,

Unverdrängbares entsetzt.

 

Sie erzählen, was sie fühln,

sie bedrückt und was geschah -

mit den Herzen - ihre Seelen,

ihre Blicke sprechen klar.

 

Copyright 2015 Gerd Schinkel