Ausstand
Schreibtisch geräumt.
Kartons schon lang gepackt...
Keine Reden mehr hörn.
Die Wände so nackt...
Dies Telefon
schreckt jetzt nur andere noch auf.
PC runter fahrn –
den fährt bald irgendwer rauf.
Der Schreibtischstuhl,
von deinem Arsch abgewetzt,
wird nun aussortiert –
oder anders besetzt.
Das Mobiliar:
Längst mit den Jahrn abgenutzt.
Der Teppich bleibt
unübersehbar beschmutzt.
Hohl und offen
gähnt der Schrank an der Wand.
Der Blick tastet rund,
dabei nichts in der Hand.
Was war, ist vorbei –
jetzt sprengt Erinnrung den Kopf.
Manche überflüssig
wie ein lästiger Kropf.
Regale entlastet –
stand sowieso zuviel drin.
Schubladen leer –
wo kommt, was drin war, nun hin?
Freude und Wehmut,
Bitterkeit, Zorn und Glück:
Nie mehr sehn wolln die einen –
andere wünscht man zurück.
Wunden vernarben.
Manche manchmal noch juckt.
Manch Wort auf der Zunge
grad noch runtergeschluckt.
Manches verblasst –
wie schnell man doch vergisst...
Mancher bleibt unvergessen,
weil man manchen vermisst.
Worte halln nach:
Zuviel gehört und gesagt.
Rasch verdrängt,
was man beschworn und beklagt.
Wer hat Wasser gepredigt
und besoff sich mit Wein?
Selbst ein Rad im Getriebe –
aber so oft allein.
Kopf hoch und aufrecht –
und die Brust durchgedrückt.
Viel zu lange gebuckelt,
lang genug auch gebückt...
Aufs Morgenrot setzen,
auch wenn Abendrot glüht!
Und sehn, was schon immer
im Verborgenen blüht.
Licht ausgemacht.
Schließ die Tür hinter dir.
Schlüssel lass stecken!
Was hält dich nun noch hier?
Die Treppe hinab,
durch den Ausgang hinaus.
Den Ballast lass zurück –
dann bist du fein raus.
Copyright 2008 Gerd Schinkel
Der Abschied vom Berufsalltag, oft verbunden mit einem „Ausstand“ zur Verabschiedung von Kollegen und Vorgesetzten – ein Anlass, bei dem oft Reden gehalten werden, in denen selten gesagt wird, was wirklich durch den Kopf geht. Manche sehen es unweigerlich auf sich zu kommen, wie meine Kollegin Ulrike, für deren Ausstand ich dieses Lied schrieb…