Beweise
Gestutzt und bieder
sehn wir uns wieder –
normal.
Ergraut mit Falten
wie alle Alten –
real.
Ergehn uns in Erinnerung,
wie toll es damals war,
als es noch andere Zeiten warn,
dass viel seit dem geschah:
Der eine nicht mehr Musik macht,
und sie noch immer singt.
Der Oberkiffer Makler ist,
dem jedes Schnäppchen winkt...
Lebensläufe laufen –
wohin, das weiß man nie.
Und enden auf nem Haufen,
kaum als Biografie,
als Briefe in nem Schuhkarton,
als Fotos eingeklebt.
Beweise für die Kindeskinder:
Ja, man hat gelebt.
Beweise für die Kindeskinder:
Ja, man hat gelebt.
Wer will uns beneiden
um unsere Leiden –
oh je.
Stell keine Fragen,
denn unsere Klagen
tun weh.
Jeder hat zu jammern.
Keiner bleibt verschont.
Doch wenn sich einer selbst belügt,
es hätt sich nicht gelohnt,
der hat die Chancen nicht genutzt,
die ihm gegeben warn.
Sie ausgeschlagen, übersehn,
vergessen schon vor Jahrn.
Lebensläufe enden,
doch wie, das weiß man nicht.
Man kann sie auch nicht wenden,
dreht man allein am Licht.
Die Fotos aus dem Schuhkarton,
die Briefe, zugeklebt –
Beweise für die Kindeskinder:
Ja, man hat gelebt.
Beweise für die Kindeskinder:
Ja, man hat gelebt.
Sind wir auch älter –
andere sind kälter
als wir.
Weil wir nur reifen,
wenn wir begreifen,
dass hier
doch alles nur von uns abhängt,
was man für sich draus macht:
Ob man sich aus dem Leben grämt
oder zu Tode lacht,
die Fäden in der Hand behält
und sich nicht zügeln lässt.
Bleibt man sich bis zum Ende treu –
oder endet man im Rest.
Aus unseren Lebensweisen
finden Kinder ihren Weg.
Wenn sie noch ratlos kreisen,
sind wir ihr fester Steg.
Die Schuhkartons mit altem Kram,
von Spinnweben verklebt –
Beweise für die Kindeskinder:
Ja, man hat gelebt.
Beweise für die Kindeskinder:
Ja, man hat gelebt.
Copyright 2004 Gerd Schinkel
Zu jedem Leben lassen sich Bilanzen ziehen. Je nach Perspektive können sie sehr unterschiedlich ausfallen. Die persönlichen Rückblicke enthalten den Erfahrungsschatz, den andere nutzen können - wenn sie es wollen. Sonst wird er eben verschüttet... Auch ein Text, der zu einer Melodie entstand, nachdem ich mit der DADGAD-Stimmung geübt hatte.