Fit oder fett

 

Früher rank und schlank und kerngesund:

Ein Baum, so voll im Saft.

Heute stämmig, bisschen rund.

Am Abend leicht geschafft.

Schmunzeln für den jungen Schwung             

im Spiegel schnell gefriert:

Hey Alter, warst doch auch mal jung!             

Wie lang? Na, was ist passiert?

 

Biste noch fit? Oder biste nur fett?

Gehste noch mit? Oder gehste ins Bett?

Kommste auf Trab?

Oder machste nur schlapp?

Oder biste auf Draht?

Eijeijei - das Leben ist hart…

 

Morgenqual mit Katerblick.

Und auch das Kreuz tut weh.

Die Dusche fließt - der Bauch bleibt dick,

trotz warm- und kaltem Dreh.

Kaum getrocknet und geföhnt

eitel eingezwängt.

Alltag - vom Erfolg verwöhnt?

Oder längst schon abgehängt?

 

Biste noch fit? Oder biste nur fett?

Gehste noch mit? Oder gehste ins Bett?

Kommste auf Trab?

Oder machste nur schlapp?

Oder biste auf Draht?

Eijeijei - das Leben ist hart…

 

Drei-Gang-Menü: Die Wampe schwillt.

Wer widerstehen könnt...

Man mag nicht - und ist doch gewillt,

weil man sich sonst nichts gönnt.

Erst Kuchen, dann noch Alkohol.

Auf Spesen, völlig klar.

Man fühlt sich wichtig, fühlt sich wohl –

vor allem an der Bar...

 

Biste noch fit? Oder biste nur fett?

Gehste noch mit? Oder gehste ins Bett?

Kommste auf Trab?

Oder machste nur schlapp?

Oder biste auf Draht?

Eijeijei - das Leben ist hart…

 

Drahtig-artig selbst gequält.

Schließlich rinnt der Schweiß.

Peinlich jedes Gramm gezählt,

dann Sauna: Hoch und heiß.

Graues Haar mit Gel gesträhnt.

Na, wäre doch gelacht...

Klammheimlich in den Bart gegähnt

und tapfer mitgemacht.

 

Ich bin noch fit, bin nicht nur fett.

Ich geh noch mit - aber erst mal ins Bett...

Komm ich auf Trab,

mach ich längst noch nicht schlapp,

und dann bin ich auf Draht -

Eiweiwei - das Leben ist hart...

 

Copyright 1992 Gerd Schinkel

 

Es handelt sich quasi um die Fortsetzung der „Midlife-Krise“ über die Last des Alterns, geschrieben zwölf Jahre später in einer anderen Lebenssituation mit weiteren Erfahrungen, anderen „Fühligkeiten“, eingestandenen Belastbarkeitsdefiziten und frischeren Einsichten in die Begrenztheit jeglichen jugendlichen Tatendrangs und Überschwangs…