NACKENHAAR
Schütt ich Wasser auf die Mühlen,
ob ich Öl ins Feuer gieß,
oder Wind ins Segel puste,
nur den Sonnenschein genieß -
immer gibt es irgendwen, dem das
nicht passt, was ich grad mach,
mir unterstellt, dass ich nen
Sturm im Wasserglas entfach…
Ich bin‘s sowas von Leid,
darauf zu reagiern -
ihr könnt mir gerne mal
das Nackenhaar rasiern…
Geh ich hin, wo ich nicht hinsoll,
bleib ich, wo ich sein soll, fern,
sagt wer, ich sage Unerhörtes,
hörn es andere ganz gern…
wird die Messlatte verbogen,
komm ich nicht mehr drunter her -
klapp ich irgendwann die Ohren runter,
kümmert mich nicht mehr.
Versucht mich einer abzubürsten,
hab ich mich auch grad gekämmt,
soll ich da durch eine Tür, gegen
die sich ein anderer stemmt?
Redet einer auf mich ein und
drängt mich zu nem Kompromiss -
wenn es „Ja“ und „Nein“ nur gibt –
wo dann der Kompromiss wohl is?
Holt sich einer grad was runter,
andern kommt die Galle rauf,
will mich irgendwer viel bunter,
und ein anderer sagt: „Hör auf!“
Und man fängt an, mir zu drohen,
falls ich nicht mach, was man sagt,
schäumen andere vor Wut,
hab ich mich laut zu wehrn gewagt.
Es jedem recht zu machen, geht nicht,
doch deshalb bleib ich nicht still,
und ich mache, was mir einfällt,
was ich möchte, was ich will.
Und das Nackenhaar wächst ständig,
kräuselt übern Kragenrand -
Du kannst es mir auch frisieren
nach der jüngsten Mode Stand.
© 2022 Gerd Schinkel