ÜBERLEBENSTRICK
Nein, ich geb mir nicht die Kugel,
nein ich nehm mir nicht den Strick,
seh ich auch in tiefen Abgrund,
wenn ich in die Zukunft blick.
Jeden Tag geht hinterm Horizont
die Sonne wieder auf,
und sie scheint auch hinter Wolken,
nimmt am Himmel ihren Lauf.
Und sie gibt den ganzen Tag uns
ihre Wärme und ihr Licht,
was wir mit der Erde anstelln,
kümmert sie wahrscheinlich nicht,
bis sie hinterm Horizont so weit
im Westen untergeht,
weil sich die Erde um sich selbst
und auch noch um die Sonne dreht.
Wir tun so, als ob sich auf der Erde
alles um uns dreht.
Alles, was auf ihr vorhanden ist,
uns zur Verfügung steht.
Und wir holn uns, was wir wolln,
auch wenn es keiner wirklich braucht,
und wir sind nur irritiert,
wenn ein Vulkan auf einmal raucht.
Wir sind hochgradig schnupft,
wenn sich nicht alles um uns dreht
und wir tun so, als ob damit
gleich die Erde untergeht.
Nähmen wir uns nicht so wichtig,
gäbs vielleicht noch eine Chance,
auch mit Glück zu überleben,
auf Vulkanasche zum Tanz.
Gäb es wirklich und wahr-
haftig keine Maikäfer mehr
würd ich fragen, weil ich‘s wissen wollte,
wo käm das denn her.
Ist nichts mehr so, wie‘ gewesen,
ist es dann nicht mehr normal?
Lässt es sich vielleicht erklären?
Ist es trotzdem nicht fatal?
Was sich tut auf unserer Erde,
stirbt der eiernde Planet,
dessen Klima wir verändern –
es zu retten, ist zu spät.
Wie rasch werden wir es merken,
was sich nicht mehr bremsen lässt,
klammern manche auch verzweifelt
sich an ihrem Wohlstand fest.
Hast du aus dem Blick verlorn,
worin der Sinn des Lebens liegt,
denn, was wichtig dir gewesen,
dir nun um die Ohren fliegt.
Du siehst deine Kräfte schwinden,
wird der Ballast dir zu schwer, -
geh nach draußen vor die Türe,
spür, wo bläst der Wind denn her.
Wie steht‘s um die Perspektive?
Liegt die Flinte längst im Korn?
Streckst du von dir alle Viere?
Beginnst du noch mal von vorn?
Frag nicht lange, ob du so noch
weiter machen willst und kannst.
Such dir eine Stelle, wo du
noch ein Apfelbäumchen pflanzt.
Nein, ich geb mir keine Spritze,
setz mir nicht den letzten Schuss
und verzweifle nicht daran,
dass ich irgendetwas muss.
Ich schau in den blauen Himmel,
sind die Regenwolken weg.
Hol mir danach einen Besen
und beseitige den Dreck.
Nein ich schlucke keine Pillen,
ritz die Pulsadern nicht auf.
Dass das Leben auch mal schmerzhaft
sein kann, nehm ich halt in Kauf.
Nein, ich spring nicht aus dem Fenster –
hab nen Überlebenstrick,
denn ich weiß wofür ich leb,
wenn ich in deine Augen blick.
Copyright 2021 Gerd Schinkel