Der Troubadour
Ein alter Troubadour schrieb jeden Tag ein neues Lied –
genauso wie’s bei Liedermachern ab und zu geschieht.
Er schrieb in kurzen Zeilen, gar nicht wortreich, sondern klar –
nicht lange drum herum, nein, auf den Punkt, ganz einfach wahr.
Komplizierte Sätze mied er, die warn nie sein Stil.
Er schrieb auch nur das nötigste. Nie war ein Wort zu viel.
Nach Reimen, die er haben wollte, suchte er nie lang -
sie fielen ihm schnell ein und hatten einen guten Klang.
Ein Vers kam so zum andern, und dann noch die Melodie:
Er zupfte seine Saiten - ohne Klampfe war er nie.
Er summte zu Akkorden, dabei manchen schräger Ton –
und war am Schluss zufrieden – welch ein schöner Künstler-Lohn.
Er schrieb über die Liebe, und wie sie verzaubern kann -
seitdem er Lieder schrieb sein Thema, gleich von Anfang an.
Wie früher bei den Minnesängern lag hier sein Talent –
nur dass man ihn, im Unterschied zu anderen, gar nicht kennt.
So füllten sich die Blätter dann mit Liedern im Regal.
Er schrieb sie, aber sang sie nie – er fand das ganz normal.
Warum sollt er sie singen? Ja, für wen? Und wo und wann?
Weil sie doch keiner hören wollte, dacht er nicht mehr dran.
So freute er sich täglich über jedes neue Lied.
Es floss ihm aus der Feder, und auch jedes gut geriet.
Sein neuestes war sein bestes - das war für ihn immer klar.
Ihm fiel längst nicht mehr auf, dass es doch stets das selbe war...
Copyright 2012 Gerd Schinkel