Des Kaisers neue Kleider
Bekommt der Kaiser neue Kleider,
dreht er sich eitel wie ein Pfau.
Hat er was neu zu tun,
läuft er in neuen Schuhn,
dann macht er’s auch so, ganz genau.
Er bläht sich auf, hält sich für wichtig,
wenn man ihn wahrnimmt hier und da.
Glaubt, nur wie er’s macht, macht man’s richtig.
Kein Zweifel dran, iwo, na klar.
So ist der Kaiser mit sich einig:
Er hat die richt’ge Sicht der Welt.
Wenn er was schreiben kann
oder auch sagen, dann
macht er’s nicht immer nur für Geld.
Dass man ihn fragt, kommt ihm gelegen.
Es labt sein Ego ungemein.
Kann sich nun spreizen und bewegen
und glaubt, nun müsst er jemand sein.
Es ist der Kaiser wohl gelitten
bei seinem Hofstaat, der ihn preist,
den er gern um sich schart,
so mit dem Volk sich paart,
und mit ihm singt und trinkt und speist.
Er dreht und wendet sich vorm Spiegel –
nur der tatsächlich reflektiert... –
Doch gibt ihm weder Brief noch Siegel,
dass man ihn allseits respektiert.
Es sitzt der Kaiser stolz im Sattel,
ganz hoch zu Ross, dem Boden fern,
wo er sich wichtig macht
und eifrig drüber wacht,
dass ihn die Leute auch verehr’n.
Es hat der Kaiser große Füße,
die mancher aus dem Hofstaat küsst.
Er hält es für verdiente Grüße,
wie sie ihm jeder schenken müsst...
Es schreibt der Kaiser viele Worte –
doch schreibt er Silben noch so viel,
verwendet viel Papier,
verschwendet Zeit dafür,
doch findet eins nicht: Das ist Stil.
Sein Werk bleibt flach: Nichts, was sich streckte.
Gleicht ohne Tiefgang seinem Reich.
Nicht dass ihn dieses je erschreckte...
Sein Hochgebirge bleibt der Deich.
Es hält der Kaiser viel von Witzen,
sieht sich als höchste Kompetenz,
als Fachmann für Humor,
gewährt nur dem sein Ohr,
den er bestückt sieht mit Potenz.
Er spricht und singt mit Gags und Pointen,
sagt auch, wann sich ein Lachen lohnt.
Fletscht er humorvoll seine Zähne,
sieht man, nur diese sind bekront...
Es hat der Kaiser viel zu sagen,
weil es ihn immer dazu drängt,
sodass er sehr viel spricht.
Warum bloß schweigt er nicht,
da er mehr redet als er denkt...
Ihm fehlt es nicht an Worten, Sätzen,
doch mangelt’s dafür an Substanz.
Vielleicht genügt’s auf manchen Plätzen –
mancher lernt’s nie, und mancher kann’s.
Copyright 2010 Gerd Schinkel