Nobles Schweigen auf penetrante Fragen an einen maulfaulen Nobelpreisträger

 

 

 

Sag Erst ma nix

 

 

 

durchsetzt von ein paar recykelten Zimmermans-Liedern

 

 

 

Zögerliche Versuche behutsamer Annäherungen

 

an ausgesuchte kreative Phasen von Bob Dylan

 

mit Hilfe eines fiktiven Gespräch zwischen ihm und Phil Ochs,

 

der auch an verschiedene Lieder des Literatur-Nobelpreisträgers erinnert.

 

 

 

 

 

01 Herzlichen Glückwunsch  „Congratulations“

 

02 Nicht einmal der Wind „Blowing in the Wind“

 

03 Komm, vergiss es, ist okay “Don’t Think Twice, It’s Allright”

 

04 Regen fällt 1 „A Hard Rain“  Dylan sowie

 

05 Regen fällt 2 fiktive Vorschlagsversion Ochs

 

06 Kriegsherrn der Welt  "Masters of War"

 

07 Es kommen gewiss andre Zeiten „Times A-Changing”

 

08 Vergiss dein müdes Lied  „Lay Down Your Weary Tune"

 

09 Bin’s gewiss nicht   „It Ain’t Me Babe“

 

10 Getreten wie ein Stein  „Like A Rolling Stone“ 

 

 

 

11 Ganz bestimmt 4. Strasse  „Positively 4th Street“   

 

12 Ganz wie eine Frau  „Just Like A Woman“

 

13 Oben auf dem Wachturm  „All Along The Watchtower“ 

 

14 Schicksalslaune  „Simple Twist Of Fate“

 

15 Spürst du, wie ich dich lieb  "Make you feel my love"

 

16 Ich red nicht  "Aint't talking"

 

17 Arbeitsblues Nr. 2  "Workingman's Blues #2”

 

18 Nix bleibt wie’s war „Things Have Changed“

 

19 Finale

 

 

 

 

 

Die Ausgangslage für das folgende Liederprogramm ist diese:

 

Bob Dylan bekam am 13. Oktober 2016 den Literatur-Nobelpreis zuerkannt. Dazu schwieg er bis zum Monatsende. Seit Anfang der Sechziger Jahre hat Dylan die Entwicklung der populären Liederlyrik weltweit so sehr beeinflusst, dass es kaum überschätzt werden kann. Mit dem Preis für Dylan aus Stockholm rückt auch eine der ältesten Varianten der Dichtkunst enger ins Blickfeld. Es ist die Kunst derer, die sich besonders strengen sprachlichen Ausdrucksformen unterwerfen, in denen Metrik und Reime eine wichtige Rolle spielen. Durch die Verbindung von Sprache mit Musik hat sich eine Dichtkunst entwickelt, die verbunden mit einem gekonnten, eigenständigen Vortragsstil besonders die Gefühle anspricht. Erinnert sei an früheste Werke diese Dichtkunst, etwa von Homer, oder an die griechische Mythologie, in der man einem Sänger namens Orpheus nachsagte, er habe mit seinem Gesang seine verstorbene Geliebte Eurydike - wenigstens vorübergehend - der Gewalt des Totenreiches entreißen können.

 

Nun ist Bob Dylan unbestritten kein begnadeter Sänger und kein unumstrittener Künstler, und doch hat er diese Variante der Liederdichtkunst in den vergangenen fünf Jahrzehnten entscheidend geprägt. Als er mit Anfang Zwanzig in New York auftauchte, war er einer von vielen, die in der Nachfolge des legendären Folksängers Woody Guthrie mit Gitarre in den Kaffeehäuser des Szene-Stadtteils Greenwich Village Lieder singend ein paar Dollar verdienen wollten. Ein anderer Sänger war Phil Ochs, kein halbes Jahr älter und deutlich politischer. Als Konkurrenten im Wettstreit, die sich immer wieder herausforderten, noch bessere Lieder zu schreiben, verbrachten sie viel Zeit miteinander, bis ersichtlich wurde, dass Dylan der Künstler mit mehr Erfolg und Einfluss werden sollte. 1965 kam es aus wohl eher lächerlichem Anlass zum Zerwürfnis. Erst acht Jahre später kreuzten sich künstlerisch ihre Wege nur noch einmal. Inzwischen war Bob Dylan ein bewunderter Weltstar, und der erfolglose Phil Ochs ein gescheiterter Sänger, der seine Depressionen im Alkohol ertränkte. Drei Jahre danach nahm er sich im Frühjahr 1976 das Leben. – Stellen wir uns vor, irgendwo hat der verblichene Phil Ochs von der Nobelpreis-Würdigung Dylans erfahren. Er überwindet alten Groll, und es gelingt ihm, eine direkte Verbindung in Dylans Kopf herzustellen. Ochs will an alte Zeiten erinnern, Missverständnisse ausräumen, Dylan zur Rede stellen, aber erst mal mit einem Dylan-Song der Travelling Wilburys auch ehrlich gratulieren…

 

 

 

Herzlichen Glückwunsch            „Congratulations“ Bob Dylan       C/0

 

 

 

Herzlichen Glückwunsch,                                  C

 

mein Herz ist kaputt,                                        F

 

Herzlichen Glückwunsch,                                  G

 

nur ein Haufen Schutt,                                      FC

 

Herzlichen Glückwunsch,                                  C

 

jetzt hast du’s geschafft,                                  F

 

Herzlichen Glückwunsch,                                  G

 

ich steh da ohne Kraft.                                     FC

 

 

 

Hab diesen Morgen                                          CG

 

aus dem Fenster geschaut.                              Gd

 

Kein Mensch zu sehen,                                     Fd

 

nur ein Vogel sang laut.                                    FC

 

Und nachts lieg ich                                          CG

 

in meinem Bett ganz allein.                               Gd

 

Seh dich und wünschte,                                   Fd

 

du könnt’st hier bei mir sein.                             FC

 

 

 

Herzlichen Glückwunsch,

 

lieg am Boden vor dir.

 

Herzlichen Glückwunsch,

 

mit Depressionen vor mir.

 

Herzlichen Glückwunsch,

 

weißt ja stets, was man tut.

 

Herzlichen Glückwunsch,

 

hoff, du fühlst dich nun gut.

 

 

 

Hab dich, glaub ich, mehr geliebt,

 

als ich je gewusst,

 

Wie leer meine Welt ist,

 

wird mir langsam bewusst.

 

Hätt ich nur noch eine Chance,

 

dein Herz zu gewinn’,

 

ich würd’s anders angehn –

 

doch hat Grübeln kein’ Sinn.

 

 

 

Herzlichen Glückwunsch,

 

hast mich warten gelehrt.

 

Herzlichen Glückwunsch,

 

aber war wohl verkehrt.

 

Herzlichen Glückwunsch,

 

dass du ganz oben stehst.

 

Herzlichen Glückwunsch,

 

du wusstest, wohin du gehst.

 

 

 

Herzlichen Glückwunsch,

 

Hast den Preis nun gekriegt,

 

Herzlichen Glückwunsch,

 

auf ganzer Linie gesiegt.

 

Herzlichen Glückwunsch,

 

der ist nicht geliehn.

 

Herzlichen Glückwunsch,

 

verdient hast du ihn.

 

 

 

Herzlichen Glückwunsch

 

Herzlichen Glückwunsch

 

 

 

 

 

Hi Bobby – ich bin’s, Phil, Dein von Dir so gern ignorierter Kollege... Hab’s gerade gehört. Hat was gedauert. Gibt hier fürs Internet noch kein Glasfaser. Die hinken ganz schön hinterher... Nun komm – glaub nicht, Du könntest Dich taub stellen oder auf „unerreichbar“ machen. Erstens bist Du’s sowieso, und ich bin ja nicht am Telefon. So leicht wirst Du mich nicht los. Ich sitz Dir im Nacken und abschütteln, so wie Du es zu meinen Lebzeiten versucht hast, geht nicht mehr. Ich bin direkt in Deinem Schädel und meld mich aus dem exterristischen Aufenthaltsraum und will mit Dir reden… Nein, ich spuck Dir nicht von außen in Deinen Kopf – und aussperren kannst Du mich auch nicht. – Du schweigst? Na, mal sehen, wie lange... Ist ja nichts Neues. Wir verstehn uns schon, auch wenn Du stumm bleibst. Dann kau’ eben nur auf dem rum, was ich Dir sage… Auch wenn Du manches aus Deiner Vergangenheit erfolgreich verdrängt hast, mich kannst Du nicht vergessen haben. Ich gehör auch zu Deinem Leben…  und meine paar Fragen wirst Du schon aushalten… kannst ja wieder  den alten Käse aufwärmen, von wegen der Antworten, die „ganz allein der Wind“ kennt…

 

 

 

Nicht einmal der Wind               Blowing In The Wind B. Dylan    A/0

 

 

 

Wie viele Ziele hast du dir gesetzt,                                AA+A

 

bevor du das erste erreicht?                                         AA+A

 

Wie viele Texte zerrissen, zerfetzt,                                AA+A

 

eh einer gelang, spielend leicht?                                   ADE

 

Wie viele Gitarren mit Saiten bespannt,

 

die stumpf oder längst rostig sind?

 

Die Antwort, Robert Zimmerman,                                  DE

 

weiß höchstens wohl der Wind,                                    AD

 

wahrscheinlich weiß sie nicht einmal der Wind.               DEA

 

 

 

Wie viele Märchen hast du aufgetischt,

 

woher du kommst, wer du bist?

 

Wie viele Zweifel beiseite gewischt

 

zerpflückt in kürzester Frist?

 

Wie viele Lieder auf Bühnen gespielt,

 

vergessen, wie rasch Zeit verrint?

 

Die Antwort, Robert Zimmerman,

 

weiß höchstens wohl der Wind,

 

wahrscheinlich weiß sie nicht einmal der Wind.

 

 

 

Wie oft hast du dich vergebens gewehrt,

 

dass man dich benutzt und missbraucht,

 

dich missversteht und als Propheten verehrt?

 

Wie oft bist du schon abgetaucht?

 

Wie oft hast du es gespürt und verflucht,

 

wie lästig Erwartungen sind?

 

Die Antwort, Bob Dylan,

 

weiß höchstens wohl der Wind,

 

wahrscheinlich weiß sie nicht einmal der Wind.

 

 

 

Wie oft hast du unterwegs nachgedacht,

 

auf keine Tournee mehr zu gehn?

 

hast in Hotels schlaflos Nächte durchwacht,

 

es morgens gehasst, aufzustehn?

 

Wie müde bist du nach einem Konzert,

 

wenn die Boxen längst abgebaut sind?

 

Die Antwort, Bob Dylan,

 

weiß höchstens wohl der Wind,

 

wahrscheinlich weiß sie nicht einmal der Wind.

 

 

 

 

 

Inzwischen bin ich länger tot als ich gelebt habe, kannst Du Dir das vorstellen? Aber noch immer finden Leute meine Lieder höchst aktuell und halten mich – hörst Du? Mich!!! Phil Ochs!!! - für den größten Dichter, den die USA hervorgebracht haben… Das hat Neil Young gesagt. Kannst Du bei Youtube nachhören. Hab ich auch gemacht… Jetzt hast Du’s also doch geschafft, nach zwei Jahrzehnten Spekulationen… immer Mitte Oktober: Klappt es diesmal? Und wieder nichts… Nun hat das Theater endlich ein Ende. So zu tun, als ginge Dir die Sache am Arsch vorbei, war doch längst ne Masche. Und dann: Bingo! Erklär mir das mal! Interessiert es Dich überhaupt? Gab es wirklich keinen besseren? Hat sich keiner der Prosaisten aufgedrängt? Ob die jetzt von ihren Sockeln kippen, von denen sie so gern auf Lyriker runterkucken? Norman Mailer hat zu seinen Lebzeiten ja mal geätzt: Wenn das, was Dylan macht, Literatur wäre, dann sei er ein Basketballspieler. Mehr als Sätze aneinander hängen, ohne auf Silbenzahl und Reime achten zu müssen, können diese Vielschreiber von trivialem Lesefastfood gar nicht. Aber jetzt hast Du den Preis. Und wofür? Soll ich den Wind fragen? Lass uns mal auf alte Zeiten trinken, als wir im Village zusammen um die Häuser zogen, du mit Freundin Suzanne, ich mit Alice… Weißt Du noch? Suzanne Rotolo, unsere Trauzeugin…Schnee von gestern, abgehakt. Ich folg Deinem Rat:

 

 

 

Komm, vergiss es, ist okay   Don’t Think Twice, It’s Allright“  Bob Dylan C/0

 

 

 

Verschwend’ nicht deine Zeit mit dummen Fragen,                     CGa

 

hast du’s noch nicht kapiert.                                                 FC IG  

 

Verschwend’ nicht deine Zeit mit dummen Fragen,                     CGa

 

bringt dir gar nichts, garantiert.                                              D9 G

 

Wenn dein Wecker kräht noch vor’m Morgengraun,                    CC7

 

brauchst du mir nicht durchs Fenster nachzuschaun.                 FD9

 

Deinetwegen bin ich abgehaun -                                            CGaF

 

komm, vergiss es, ist okay.                                                   CGC

 

 

 

Wozu gehst du zum Schalter - lass das Licht aus.

 

Seit wann magst du es lieber grell?

 

Lass doch jetzt den Schalter und das Licht aus.

 

Dort, wo ich lang geh, ist nie hell.

 

Warum hast du kein einz’ges Wort zu mir gesagt,

 

ob ich nicht bei dir bleiben will gefragt,

 

ehrlich zu sein, das ham wir nie gewagt -

 

komm, vergiss es, ist okay.

 

 

 

Du brauchst mir auch nicht hinterherzurufen.

 

So wichtig war ich dir doch nie.

 

Du brauchst mir auch nicht hinterherzurufen.

 

Spar dir doch deine Energie.

 

Bin woanders in Gedanken, bis ich wieder zu mir find,

 

glaubte, ich lieb ‘ne Frau, aber die war noch ein Kind.

 

Gab ihr mein Herz, sie nahm meine Seele blind.

 

Komm, vergiss es, ist okay.

 

 

 

Na denn, mein Schatz, bye bye,

 

man sieht sich irgendwann.

 

„Mach’s gut“ wär fast schon zuviel gesagt -

 

wenn man sich nichts mehr sagen kann.

 

Von mir wird keiner eine Klage hörn,

 

was soll mich hinterher an dir noch störn,

 

hast mir Zeit gestohln, aber wozu sich empörn,

 

komm, vergiss es, ist okay.

 

 

 

 

 

Weißt Du noch, Bobby, wie wir uns gegenseitig immer mit unseren neuesten Songs heiß gemacht haben, den anderen zu übertrumpfen, einen noch besseren Song zu schreiben? Für’s Broadside Magazine, dass sie jeder nachlesen konnte. Damals hast Du zugegeben, ich sei als topical songwriter so gut geworden, dass du nicht mehr mit mir mithalten könntest. Das hatte einer mitgeschrieben… Und in Suzannes Buch las ich, dass Du einem, der über mein Chaos gelästert hatte, gesagt hast „Künstler seien nun mal so…“ War wohl schnell wieder vergessen, und später hast Du es mir heimgezahlt, dass Du Dich mir mal künstlerisch unterlegen gefühlt hast. Denn der Künstler, das warst nur Du, und ich nur ein Journalist. Ich hab ja immer Fragen gestellt, wollte den Dingen journalistisch auf den Grund gehen – und von mir aus kannst Du das jetzt als Bestätigung sehen, dass Du wohl sachlich recht hattest, auch wenn es von Dir abwerten gemeint war: Phil Ochs singe ja nur Schlagzeilen nach, sei also nur ein Journalist, anders als Du, der Künstler, der aus einem Thema mehr machen könne. Da hast Du den dicken Strich zwischen uns gezogen – warum auch immer. Vielleicht, weil du statt zu fragen lieber antworten wolltest, und zwar so, dass sich jeder rauspicken konnte, was er hören wollte, schemenhaft durch den Nebel.

 

 

 

Regen fällt  „A Hard Rain“ Bob Dylan                                         A/0 

 

 

 

Wo kommst du her, mein naiver Sohn?                                    ADA

 

Wo kommst du her, mein Kleiner, sag schon!                            AE

 

Bin über zwölf Berge durch Nebel gestolpert,                            DEA

 

durch Schlaglöcher über sechs Straßen geholpert,

 

kam durch sieben Wälder, wo krank Bäume standen,

 

konnt am Ufer von zwölf toten Meeren noch stranden,

 

bin hoch aus nem Friedhof tausend Meilen gestiegen,

 

Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt,                         AEAD

 

Schwerer Regen wird falln und bleibt liegen.                              AEA

 

 

 

Was hast du gesehen, mein naiver Sohn?

 

Und hast du’s gesehen, mein Kleiner, sag schon!

 

Ich sah einen Säugling, den Wölfe umkreisten,

 

diamantene Straßen ohne jegliches Leben,

 

einen schwarzen Ast und sah Blut von ihm triefen

 

einen Raum voll mit Männer und blutigen Hämmern,

 

eine Leiter, halb von Wasser bedeckt, die ganz weiß war,

 

zehntausend Redner, deren Zungen zerbrachen,

 

sah Gewehre und Schwerter in Kleinkinder-Händen,

 

Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt,

 

Schwerer Regen wird falln und nicht enden

 

 

 

Was hast du gehört, mein naiver Sohn?

 

Was hast du gehört, mein Kleiner, sag schon!

 

Ich hörte den Donner, der Warnungen rollte,

 

eine Woge laut brüllend die Erde bedrohte,

 

hunderte Trommler mit brennenden Händen,

 

Zehntausende flüstern, und keinen, der lauschte

 

einen verhungern und lachende Leute,

 

das Lied eines Dichters erstarb in der Gosse,

 

einen weinenden Clown in der Gasse laut klagen,

 

Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt,

 

Schwerer Regen kaum zu ertragen.

 

 

 

Wem bist du begegnet, mein naiver Sohn

 

Wem bist du begegnet, mein Kleiner, sag schon!

 

ein kleines Kind war neben ei’m toten Pony,

 

ein weißer Mann mit schwarzem Hund an der Leine,

 

eine junge Frau, die ihren Körper verbrannte,

 

den Regenbogen ein Mädchen mir schenkte,

 

einen Mann, den seine Liebe verletzte,

 

und noch einen Mann an seinem Hass leiden,

 

Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt,

 

Regen fällt – und ist nicht zu vermeiden..

 

 

 

Was willst du nun machen, mein naiver Sohn?

 

Was willst du nun machen, mein Kleiner, sag schon!

 

Ich gehe zurück, denn auf Regen folgt Regen,

 

tief in die Tiefen des dunkelsten Waldes,

 

wo ich Menschen begegne, deren Hände ganz leer sind,

 

wo man Giftbrocken sieht, die im Flusswasser treiben,

 

wo die Talhütte neben nem dreckigen Knast steht,

 

wo ein Henker versteht, sein Gesicht zu verbergen,

 

wo hässlich der Hunger und die Seelen vergessen,

 

wo alles pechschwarz, Null die einzige Zahl ist,

 

dann werd ich’s erzähln, denken, sagen und hauchen,

 

hoch vom Berg widerspiegeln, sichtbar für alle Seelen,

 

werd auf Meerwasser stehen, solang bis ich sinke,

 

mein Lied werd ich kennen, und dann auch laut singen,

 

Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt,

 

Regen fällt und wird uns durchdringen..

 

 

 

 

 

Ah ja, genau so hatte ich’s in Erinnerung… und das soll einer verstehen? Ich geh mal davon aus, dass die Nobelpreisrichter von diesem mysteriösen Schmarren beeindruckt waren und ihn – vielleicht, gerade weil sie ihn nicht verstehen konnten - einfach zu Literatur erklärt haben. Sinnfreies apokalyptisches Gebrabbel, das Dir nach der Überdosis LSD eingefallen ist? Was hat man da nicht alles reingeheimst: Ein blutjunger Klugscheißer, der von radioaktiv-verseuchten Niederschlägen singt, die Atombombenversuche Anfang der Sechziger Jahre anprangert, gegen das Wettrüsten im Kalten Krieg protestiert? Keiner weiß Genaues nicht – aber schön schaurig… Gratuliere – eindeutig preiswürdig… oder eher fragwürdig? Du mochtest als Künstler Deine Kunstwerke ja nie erklären… haben Künstler nicht nötig… Kunst steht für sich, erklärt sich selbst… Weißt Du was? Jetzt kucken wir mal, was ich draus gemacht hätte, jetzt, so in der Gegenwart aus dem Jenseits heraus. Bin zwar ein wenig aus der Übung, aber das Lied reizt mich, es mal brauchbar zu machen für handfeste Proteste, etwa gegen Umweltvergiftung durch Chemiefabriken, wenn nach Regenwetter die Böden der umliegenden Region verseucht sind… Seveso lässt grüßen. Da war doch mal so eine Dioxin-Katastrophe als ich schon ein paar Wochen tot war….

 

 

 

 

 

Regen fällt  „A Hard Rain“ fiktive Version nach Art von Phil Ochs            C/0 

 

 

 

Wo kommst du her, mein schlauer Sohn?                                 CFC

 

Wo kommst du her, mein Kleiner, sag schon!                            CG

 

Ich war in dem Haus, wo sie Fenster verdunkeln.                       FGC

 

Ich schlich durch die Nacht, in der Sterne nicht funkeln,

 

ich lief aus dem Park, wo Gestank mich verscheuchte,

 

ich kroch aus dem Sand, den der Regen verseuchte,

 

ich stieg aus dem Baum, dessen Früchte verfaulen,

 

ich hörte die Tiere vor Schmerzen laut jaulen,

 

ich floh aus der Stadt, die ich nie mehr sehn werde,

 

Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt,                        CGCF

 

und was regt sich danach noch auf der Erde?                           CGC

 

 

 

Was hast du gesehen, mein schlauer Sohn?

 

Und hast du’s gesehen, mein Kleiner, sag schon!

 

Ich sah viele Leute die Häuser verlassen,

 

ich sah manche Mutter in Panik erblassen,

 

ich sah einen Mann, der vor Zorn und Wut weinte,

 

ich sah einen Priester, der dazu nichts meinte,

 

ich sah viele Eltern - sie suchten die Kinder,

 

ich sah in der Zukunft nicht mehr als ein Blinder,

 

ich sah den Chemieboss - er grinste verlegen,

 

Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt,

 

Und der Regen kommt ihm ungelegen...

 

 

 

Was hast du gehört, mein schlauer Sohn?

 

Was hast du gehört, mein Kleiner, sag schon!

 

Ich hörte den Sprecher im Radio warnen,

 

ich hörte den Bischof die Schäflein ermahnen,

 

ich hörte die Schwangere laut Hilfe schreien,

 

ich hörte die Mutter sich selbst nicht verzeihen,

 

ich hörte den Vater verzweifelt laut fluchen,

 

ich hörte die Eltern im Dunkeln noch suchen,

 

ich hörte die Bosse beschwichtigend reden,

 

ich hörte Experten, man fragte fast jeden,

 

ich hörte sie reden und reden und reden,

 

ich hörte auch Stimmen voll Zorn und Wut beben -

 

Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt,

 

Und der Regen gefährdet das Leben.   

 

 

 

Was hast du gelesen, mein schlauer Sohn?

 

Was hast du gelesen, mein Kleiner, sag schon!

 

Ich las einen Aufruf, die Ruhe zu wahren,

 

ich las eine Zeitung - nichts war zu erfahren,

 

ich las ein paar Zeilen - es war bloß ein Unfall...

 

ich las ein Zitat - da war’s nur ein Zufall...

 

ich las eine Meinung – nur die der Konzerne...

 

ich las, was ich las, verstehe und lerne...

 

ich las all die Lügen der Presse voll Geifer,

 

dann las ich in Büchern, begierig, mit Eifer,

 

ich las von Gefahren, von Folgen und Schäden,

 

Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt,          

 

Regen fällt - es regnet auf jeden.         

 

 

 

Was willst du nun machen, mein schlauer Sohn?

 

Was willst du nun machen, mein Kleiner, sag schon!

 

Ich geh und erzähle den Leuten die Wahrheit,

 

beschreibe die Folgen, dann haben sie Klarheit,

 

ich warn vor Gefahren, die alle bedrohen,

 

sag auch, wer versagt hat, die Herrscher, die hohen,

 

zieh mich dann zurück in die dichtesten Wälder

 

und meide die Städte, die Dörfer, die Felder,

 

sie werden mich nämlich bald steckbrieflich suchen,

 

als Lügner beschimpfen, mich lauthals verfluchen,

 

und lässt die Verdummer doch schalten und walten,

 

sie werden wie immer sich weiter entfalten,

 

und geht die Welt unter im Gift und im Abfall,

 

im Namen des Fortschritts bleibt es doch beim Kniefall,

 

und so rast die Menschheit dem Abhang entgegen -

 

Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt, Regen fällt,          

 

Und es fällt unendlich viel Regen.

 

 

 

 

 

So hättst Du das eigentlich doch auch machen können. Egal… Mit Deiner speziellen, „künstlerischen“ Art zu antworten, wo dann nur noch der Wind weiß, was gemeint sein könnte, hast Du so lästige Fragen abwimmeln wollen? Du hast Deine Vergangenheit vernebelt, Gefühle genauso wie Dein Privatleben versteckt, ein Geheimnis draus gemacht, geschwiegen. Dabei aber gelegentlich wortreich über Deine Herkunft phantasiert. Später hab ich vernommen, was Du rückblickend über den Beginn Deiner Karriere erzählt hast. Waren all diese frühen Protestsongs, die Du damals auf Kundgebungen gesungen hast, neben Martin Luther King, Pete Seeger, Joan Baez oder neben mir, diese Songs, die man bejubelt hat, für die man Dich so gerne als Sprachrohr hören wollte – nur Mittel zum Zweck? Lieder schreiben wie Woody Guthrie für ein Publikum, das Du mit solchen Liedern begeistern konntest, die man diesem zornigen jungen Mann auch geglaubt hat, der so klang, er wolle es mit den Mächtigen aufnehmen, den Kriegstreibern und Kriegsgewinnlern, den Ewig-Gestrigen. Du hast dich in die Bürgerrechtsbewegung bloß eingeschlichen? Bei Bert Brecht abgekuckt, wie man effektvolle Balladen schreibt, dann Dich darin geübt, und bewusst nur gesungen, was die Leute hören wollten, um sie zu begeistern – bloß um so Karriere zu machen? Deine Fans haben diese Lieder ernster genommen als Du selbst. Haben Dich ernster genommen, als es Dir lieb war. Aber – hey, so einen Text wie Masters of War, den schreibt man doch nicht einfach so hin, wenn man es nicht auch so meint - oder hast Du Dich selbst nicht ernst genommen….

 

 

 

Kriegsherrn der Welt      Masters Of War“ Bob Dylan     DDD/0

 

 

 

Ihr Kriegsherrn der Welt,                       d

 

die ihr Waffen herstellt,                         D7 auf 7. Bd

 

all die Flugzeuge baut,                         10./12. Bd

 

aus denen Tod herab fällt,                    10. Bd D7 auf 7. Bd

 

gut versteckt, wie ihr seid,                    10./12. Bd

 

hinter Schreibtischen sitzt,                    10. Bd D7 auf 7. Bd

 

ob ihr wisst, wie es ist,                         D7 auf 7. Bd 5. Bd

 

wenn man kalt vor Angst schwitzt.         3. Bd d

 

 

 

Ihr wollt das, was ihr baut

 

doch nur wieder zerstörn,

 

ihr spielt mit meiner Welt,

 

als würd sie euch gehörn,

 

ihr gebt mir ein Gewehr,

 

gebt es auch meinem Sohn -

 

wenn die Kugeln dann fliegen,

 

seid ihr längst geflohn

 

 

 

So wie Judas verriet,

 

so lügt ihr und betrügt -

 

aber ich soll euch glauben,

 

euer Krieg führt zum Sieg.

 

Doch ich seh euern Blick,

 

seh in euer Gehirn

 

deutlich wie durch den Regen,

 

der mir rinnt von der Stirn.

 

 

 

Ihr zeigt euren Leuten,

 

wo man welchen Knopf drückt.

 

Wird der Leichenberg höher,

 

dann lehnt ihr euch zurück,

 

versteckt euch in Bunkern,

 

wollt das Blut gar nicht sehn,

 

wenn viele - ihr wisst –

 

den Krieg nicht überstehn

 

 

 

Und die schlimmste der Ängste

 

auf euch zurück fällt:

 

dass man glaubt, man bringt Kinder,

 

besser nicht auf die Welt.

 

Noch eh sie gezeugt,

 

sind sie von euch bedroht -

 

ihr seid nicht euer Blut wert,

 

so kalt und so rot.

 

 

 

Vielleicht weiß ich nicht alles,

 

vielleicht nicht genug.

 

Vielleicht bin ich naiv,

 

vielleicht werd ich erst klug.

 

Aber eins weiß ich sicher:

 

glaubt ihr auch fromm zu sein,

 

selbst Jesus würd euch,

 

was ihr tut, nie verzeihn.

 

 

 

Und mit eurem Profit,

 

den ihr voll abkassiert,

 

wo kauft ihr euch Vergebung?

 

Glaubt ihr, das funktioniert?

 

Liegt ihr selber im Sterben,

 

und ist es bald vorbei,

 

kauft ihr euer Gewissen

 

gewiss so nicht frei.

 

 

 

Und ich hoff, ihr krepiert,

 

und es wird bald geschehn.

 

Dann folg ich eurem Sarg,

 

bleib am Grab noch lang stehn.

 

Ist der Sarg dann verschwunden,

 

liegt Erde schon drauf,

 

will ich ganz sicher sein,

 

ihr steht nicht wieder auf.

 

 

 

 

 

Stimmt es eigentlich, was ich hier im toten Abseits so von Dir gehört habe – man kriegt hier ja nicht alles mit –, dass Du irgendwann Aktien gekauft hast, ausgerechnet von der Rüstungsindustrie? Vermutlich Investment-Fonds, nehm ich mal an, deren Einzelheiten Dich gar nicht so interessiert haben. Wozu auch? Aus Prinzipien hast Du Dir nie was gemacht, auch wenn es manchmal so schien, dass Du Dich extra dran klammerst, wenn es Dir in den Kram passt: Zum Beispiel erst mal schweigen, prinzipiell, also ums Verrecken nicht reden, auch wenn alle Welt die Ohren spitzt, so als hättst Du Probleme mit den Stimmbänder. Gut, manchmal klang Dein Gekrächzte ja danach, dabei konntest Du auch ganz anders. Ich hab’s noch erlebt, bei Deiner Nashville-Scheibe, oder erst neulich wieder bei Deiner Sinatra-Huldigung. Schmalzig kannst Du also auch… Egal – der Wind pfeift drauf…– Du hast Dich irgendwann innerlich abgesetzt, erst mal, hast wohl schon erkannt, dass die Zeiten nicht so bleiben konnten, wie sie für manche schienen. Auch die Dinge ändern sich. Bis zur Apokalypse? Windpfiff – es reicht doch schon, wenn man die ungewisse Zukunft als Popanz beschwört, damit man zum Propheten der Pop-Esoteriker befördert wird. Und jung genug, so wie wir es damals waren, baumelt man als Guru einer ganzen Generation vor der Nase – und die vielen Umher-Irrenden, die nach Heilsverkündern suchen, greifen selbst zu. Sie haben nach Dir gegrabscht wie nach einem Strohhalm, weil sie sich nicht getraut haben, einen großen Schluck Erkenntnis direkt aus der Flasche zu trinken. Nach einem wie Dir, der mit mystischem Wortgeklingel Menetekel an die Wände der Schulen, Universitäten, Rathäuser, Kirchen und Kneipen kritzelt, mit denen man Eltern und Großeltern, Onkel und Tanten, Lehrer, Politiker und gruselfreudige Zuhörer bange machen kann. Mal so im Rückblick: Was war das nun eigentlich? Spätpubertierendes Imponiergehabe mit Binsenweisheiten? Klar kommen andere Zeiten, seit ewigen Zeiten, immer andere – na und?

 

 

 

Es kommen gewiss andre Zeiten „The Times they are a-changing“ Bob Dylan G/5

 

 

 

Rückt näher, kommt her, wenn zur Panik ihr neigt.                     GeCG

 

Gebt zu, dass rings um euch die Flut höher steigt,                    GeCD

 

und findet euch ab damit,         bald nass zu sein.                     GeCG

 

Wenn ihr wollt, dass ihr noch mal davon kommt,                        GeD

 

lernt schwimm’ sonst sinkt ihr auf Grund wie ein Stein                D

 

jetzt kommen andere Zeiten.                                                GeCDG

 

 

 

Ihr Kritiker, Schreiber, was ihr prophezeit,         

 

was wird und was sein soll – wie sicher ihr seid.  

 

Das Schicksalsrad dreht sich doch, besser ihr schweigt.

 

Wer weiß, wo es schließlich zum Stehn kommt

 

Wer heute verliert, kann Gewinner bald sein -

 

jetzt kommen andere Zeiten.    

 

 

 

Kommt her, ihr Gewählten, stellt euch nicht so stur. 

 

Steht nicht an der Tür rum, verstopft nicht den Flur,

 

wer Zeit schinden will, bei dem steht bald die Uhr, 

 

und draußen gehn Zeit und Kampf weiter.        

 

Da rüttelt’s am Fenster, dort wackelt die Wand -           

 

jetzt kommen andere Zeiten.

 

 

 

Ihr Mütter und Väter im ganzen Land,

 

versucht zu verstehen, bemüht den Verstand,   

 

eure Söhne und Töchter sind längst weggerannt.  

 

auf die alte Art könnt ihr nur scheitern.  

 

Versucht neue Wege, solang ihr laufen könnt,  

 

jetzt kommen andere Zeiten.

 

 

 

Der Fluch ist geschleudert, der Schlussstrich geritzt, 

 

der Langsamste kommt schon als Schnellster geflitzt.

 

Wer heut noch was gilt, ist schon bald abgeblitzt.        

 

Die Rangliste kommt durcheinander.    

 

Der Erste von heut wird schon bald letzter sein -          

 

jetzt kommen andere Zeiten.                

 

 

 

 

 

Tja, neue Zeiten hast Du nicht nur vorausgesagt, sondern direkt angekündigt. Gewarnt, der erste werde bald der letzte sein. Na, uns alten Kaffeehaus-Folksängern aus New York warst Du ja immer schon eine Nasenlänge voraus – und jetzt, heute, bist Du doch der letzte von uns, der noch wahrgenommen wird, um die Welt tourt und immer noch Schlagzeilen macht und jetzt als Nobelpreisträger gefeiert wird, der weltweit die Literaturszene spaltet. Hast Du ihn Dir verdient? Im hohen Alter für’s Lebenswerk? Dass Du alt geworden bist, ist unübersehbar. Ich hab mir das ja erspart. Jetzt bist Du mehr als doppelt so alt, wie ich leibhaftig geworden bin. Aber ich merk jetzt mein fortgeschrittenes Alter auch. Auch in der Frischhaltesphäre des wohltemperierten Nichts wird man abgeklärter - die revolutionäre Hitze kühlt ab. Und mit Abstand sieht auch ein früherer Hitzkopf wie Phil Ochs manches gelassener. Die anderen Zeiten kamen ja tatsächlich. Damals fand ich ein anderes Lied von Dir viel besser, ein weniger plakatives als das Geknödelte von den anderen Zeiten … Ich hielt dieses andere für besser als alle anderen Lieder, die Du bis dahin geschrieben hattest. Ich hab dich drum beneidet, hätte es gern selbst geschrieben. Mein Lieblingslied von Dir. Hast Du Dich damit auch selbst aufgefordert?

 

 

 

Vergiss dein müdes Lied   „Lay Down Your Weary Tune“  B. Dylan DD/0

 

Der Vögel Zwitschern die Sonne weckt,                        DGD

 

die Nacht versteht und flieht.                                    DhA

 

Der Morgen pfeift seine Melodie,                                 DG

 

wenn früh der Tag einzieht.                                        DA I GA

 

 

 

Vergiss dein müdes Lied, sei still.

 

Vergiss, was du da singst 

 

und überlass dich dem Rausch des Klangs,

 

den du selbst doch nie bringst.

 

 

 

Da kracht ein Blitz, dass der Himmel bebt,

 

der Donner grollt sich aus.

 

Der Regen trommelt im Sturm den Takt,

 

und fragt nicht nach Applaus.

 

 

 

Der Herbstwind Laub über Asphalt fegt,

 

der Schnee deckt leis' den Baum,

 

und im Orkan knarrt das nackte Holz,

 

träumt seinen Frühlingstraum.

 

 

 

Der kleinste Bach perlt wie Harfenspiel,

 

plätschert den Lobgesang.

 

Der Strom fließt mächtig wie ein Choral -

 

und dröhnt wie Orgelklang.

 

 

 

Die Meeresgischt zischt wie Beckenschlag,

 

die Welle tanzt auf Sand.

 

Die Brandung brüllt, Wogen brechen auf

 

mit Tusch an Felsenwand.

 

 

 

 

 

Gab es eigentlich ein Lied von Phil Ochs, das Du gern geschrieben hättest? Um das Du mich beneidet hast? Du hast ja im Laufe der Jahre eine ganze Reihe Lieder anderer Künstler gesungen, die Dir gefallen haben. Warum keins von mir? Wie Joan Baez zum Beispiel mein There But For Fortune… Na ja – wäre zu viel erwartet gewesen. Mann, Bobby, was hätt ich drum gegeben, von einem, nein, von meinem Publikum so vergöttert zu werden wie Du – na gut: Herumwühler in meiner Mülltonne, wie Du sie hattest, sind mir erspart geblieben. Dafür hab ich selbst im Müll der Gosse gepennt, als Du ganz oben warst. Aber als die durchgeknallten Fans Dir zu nah auf die Pelle rückten, hast Du cool das Stopp-Schild hochgezogen. Bis hier hin und nicht weiter. Sucht Euch einen andern Deppen als Guru, Messias oder Held. Waren ja genug unterwegs. Du hast Dich abgesetzt, aber ihnen Dein „Verpisst Euch“ nicht direkt vor den Kopf geknallt, sondern so getan, als wäre jemand anders gemeint. Irgendein Groupie? Oder ging Dir schon damals Joanna Anhimmelei auf den Geist, die Dich überall mit hinzerren wollte, wo zur Weltrettung ein Mikrofon stand. Um mit ihrer schönen Stimme Deinen Nuschel-Singsang verständlich zu machen. War Dein Lied „It Ain’t Me, Babe“ eine doppelte Botschaft? An Joan Baez und ihre Protestler?

 

 

 

Bin’s gewiss nicht „It Ain’t Me Babe“ Bob Dylan  C/0

 

 

 

Geh mir aus der Sonne,                                               CG

 

geh von mir aus mit Gott - aber geh.                             CGC

 

Bin nicht der, den du in mir suchst,                               CG

 

Und wenn du es merkst, tut’s dir weh.                           CGC

 

Du sagst, du hältst mich für den Mann,                          CG      

 

der dir zuhört, mit dir spricht,                                        CG

 

dich beschützt und dich verteidigt,                               CG      

 

ob du im Recht bist oder nicht,                                    CG

 

der dir alle Chancen öffnen kann.                                 FG

 

 

 

Ich bin’s nicht, hörst du,                                              C

 

nein, nein, nein, ich bin's nicht,                                     FGC

 

nach mir suchst du                                                      F

 

ganz bestimmt nicht.                                                    GC

 

 

 

Geh, mach dich aus dem Staube.

 

Nimm den erst besten Weg.

 

Ich bin nicht so, wie du mich willst,

 

weil ich dir nichts zu Füßen leg.

 

Du sagst, du weißt, ich wär der Mann,

 

der schwört, dass er dich nie verlässt,

 

der immer nur von dir träumt,

 

mit sich alles machen lässt,

 

sein Leben für dich gibt, sogar noch mehr.

 

 

 

Tauch ab in den Nachtwind,

 

im Innern bin ich hart wie Stein.

 

Nichts, was sich drin bewegen könnt’,

 

fühl mich leer, doch nicht allein.

 

Und wenn du denkst, ich wär’ der Mann,

 

der dich aufhebt, wenn du fällst,

 

dich mit Blumen überschüttet,

 

dir Kehle hinstreckt, wenn du bellst,

 

wie ‘n Schoßhund für'n Halsband und nicht mehr.

 

 

 

 

 

Sucht Euren Leithammel doch woanders, aber nicht bei mir, schon gar nicht zur Weltrettung. Hast Du, als sie sich bot, die günstige Gelegenheit genutzt, um Dich selbst zu verpissen? Kam der Motorrad-Unfall gerade recht, dass Du mal wieder einen Mythos um Dein Überleben ranken lassen und ganz spießig einen auf Familie machen konntest? Wir hatten schon keinen Kontakt mehr. Wenn ich manchmal so an die vorangegangenen Festivals in Newport denke, finde ich, warst Du mir gegenüber ganz schön undankbar. Da waren die Dir zujubelnden Festival-Besucher von 63, ein Jahr später die von Dir schon irritierten Fans, und dann 1965das Entsetzen der Folkies, als Du die Rocker-Sau rausgelassen hast, eingestöpselt in kreischende Verstärker. Den armen Puristen, allen voran Deinem väterlichen Mentor Pete Seeger, vor den Latz zu knallen, was Dir damals wichtiger geworden war: Dich aus der Rolle eines hauptamtlichen singenden Sprachrohrs der Protestkultur herauszurocken… Kein Wunder, dass Du ausgebuht wurdest. Hatte Pete Seeger echt das Stromkabel mit einer Axt gekappt? Der hätt doch n Schlag kriegen müssen. Was Du mit der Bluesband von Paul Butterfield abgeliefert hast, war Rock’nRoll pur. Und mir hat’s gefallen. Ich hab Dich in Newport und im Broadside-Magazine in Schutz genommen, zu Dir gestanden. Warum auch nicht?! Es waren ja gute Songs, die Du gespielt hast. Und dann kam der Song, der inzwischen als bester Rock-Song aller Zeiten gilt: Like a Rolling Stone… Sogar die haben ihn gecovert.

 

 

 

Getreten wie ein Stein    „Like A Rolling Stone“ Bob Dylan C/0

 

 

 

 

Es gab ‘ne Zeit, da warst du so schick,                                                        CF

 

gabst den Bettlern sogar Groschen von deinem Glück - stimmst’s nicht?              CF G

 

Wenn dich einer warnte: „Du, da liegst du schief!“                                         CF

 

dachtest du, der spinnt und schriebst empört ‘n Brief, stimmt’s nicht?              CF G

 

Du hast all die verlacht, die’s noch zu nichts gebracht.                               FGFG

 

Nun bist du nur noch halb so laut und hast Angst, dass man nun dich versaut,    FCFC

 

denn heut schnorrst du selbst, stehst vor’m Bahnhof in zerriss’nen Schuhn          FFG

 

Was fühlst du nun? Was fühlst du nun?                                                 CFG CFG   
Ausgesperrt zu sein, einsam und allein, 
getreten wie ‘n Stein.           CFG CFG FG G7

 

                                                                                                

 

 

 

Du bist zum Fräulein Hochnäsig rangereift,

 

man hat dich auf den besten Schulen eingeseift mit soviel Stuss.

 

Wie man draußen überlebt, hast du nie gefragt,

 

aber irgendwann hat man dir gesagt, dass man’s lernen muss.

 

Du sagst, du kennst kein’ Kompromiss. Doch der alte Berber sagt dir gratis, wie’s ist.

 

Er verkauft dir keine Alibis, solang du ihm auch in seine roten Augen siehst,

 

ihn betören willst, es für dich noch mal zu tun.

 

Was fühlst du nun. Was fühlst du nun? Einsam und allein, ohne Schutz zu sein,

 

ausgesperrt im Frei’n, getreten wie’n Stein.

 

 

 

Du hattest stets ‘n guten Riecher

 

für die Speichellecker und Arschkriecher um dich her.

 

Wie mies es ist, konntst du noch nicht kapiern,

 

sich auf andrer Leute Kosten zu amüsiern - Du warst nicht fair.

 

Du bist mit deinem Hofstaat rumkutschiert, alle haben auf deine Pfeife gut pariert,

 

War’s nicht hart, als dann das Ende kam, und keiner, nicht mal einer, deine Hände nahm.

 

Als du nichts mehr zu bieten hattest, fandst du Zeit, dich auszuruhn.

 

Was fühlst du nun. Was fühlst du nun? Einsam und allein, ohne Schutz zu sein,

 

ausgesperrt im Frei’n, getreten wie’n Stein.

 

 

 

Du würd’st so gern wieder Cocktails schlürfen,

 

bei der Schickeria dabei sein dürfen im Glitzerrausch.

 

Doch du hast nichts mehr für den nackten Hals,

 

für Deine Klunker im Pfandhaus gab’s jedenfalls kein’ fairen Tausch.

 

Früher hast du den Berber ausgelacht, der sich aus alten Illustrierten sein Lager macht

 

Geh zu ihm, er ruft dich, musst dich nicht geniern,

 

Du hast doch längst nichts mehr - kannst auch nichts mehr verliern.

 

Du bist unsichtbar, brauchst also gar nicht so geheimnisvoll zu tun.

 

Was fühlst du nun. Was fühlst du nun? Einsam und allein, ohne Schutz zu sein,

 

ausgesperrt im Frei’n, getreten wie’n Stein.

 

 

 

 

 

Ein Herz und eine Seele waren wir ja nie. Immer Konkurrenten, aber so richtig auf Augenhöhe schon bald nicht mehr. Ich hab manches vergessen. Bei welchem Song von Dir war ich beim ersten Zuhören nicht so begeistert, wie Du es erwartet hattest? War es „Kannst Du bitte mal aus dem Fenster kriechen“ (Can You Please Crawl Out Your Window”)? Oder „Früher oder später muss es einer von uns wissen“(“Sooner Or Later, One Of Us Must Know”) von „Blond on Blonde”, dem ersten Doppelalbum der Pop-Geschichte – egal – ich hielt den Song jedenfalls für Dutzendware, Fließband-Material, aber nicht für ein Meisterwerk, und dazu steh ich noch heute. Bei dem Stück bistt du unter deinen Möglichkeiten geblieben. Hast Du damals das Auto so abgebremst, dass ich auf der 4. Straße fast gegen die Scheibe geknallt wäre? Bevor Du mich einfach verärgert rausgeschmissen hast, nur weil ich Kritik gewagt hatte? Weiß nicht mehr, was da 65 zwischen uns passiert ist. Unsere Sprösslinge Meegan und Jesse, die heute in Kalifornien ja Kontakt haben, kriegen es auch nicht raus. Du schweigst ja beharrlich.

 

Aber nun will ich’s eigentlich wirklich wissen: Wer ist der Adressat von „Positively 4th Street“, also „Ganz bestimmt 4. Straße“. Blöder Titel, mal nebenbei gesagt. Da muss also was passiert sein. War es da, wo Du mich aus dem Auto geworfen hast? Oder jemand anders und ihm dies Lied hinterher geschrieben? Izzy Young vielleicht, dem alten Oberpuristen der Folkies? Hast Du so einen Freund bestrafen wollen, den Du für einen Verräter gehalten hast? Weil er Dich kritisiert hat? Hey – ich bin’s nicht und ich war’s nicht, wenn ich Dich mal aus dem Lied von vorhin zitieren darf. Und Majestätsbeleidigung passt auch nicht. Der King war doch immer noch Elvis!!! Der Text ist so krass, wie ihn kein anderer Songschreiber vor Dir gewagt hat. Weißt Du, so im Rückblick gönn ich Dir eigentlich, dass Du selbst den Verräter-Vorwurf zu hören bekamst, den legendären „Judas“-Zwischenruf, der Dir 1966 auf der Tour durch England zwischen zwei Liedern zugebrüllt wurde...  Das war zwei Jahre nach Deinem eigenen bösartigsten Nachtreten der Pop-Geschichte. Hat Dich der Zwischenruf beim Konzert in Manchester genauso getroffen, wie dein hundsgemeines Lied den bislang unbekannten Adressaten? Also jetzt mal Butter bei die Fische: War ich gemeint – oder wer denn sonst?

 

 

 

Ganz bestimmt 4. Strasse Positively 4th street“ Bob Dylan                                 C/0

 

 

 

Du bist ja ganz schön dreist, behauptest, du wärst doch mein Freund.              CdFC

 

Mir ging’s draußen mies, doch du grinst drinnen.                                            CGFaG

 

Du sagst unglaublich dreist, du warst doch immer für mich da,

 

und willst doch nur bei den’ sein, die gewinnen.

 

 

 

Du sagst, ich hätt’ dich enttäuscht, doch weißt auch, dass das gar nicht stimmt.

 

Wenn ich dir weh getan hätt’, könnt’st du’s zeigen.

 

Du sagst, Dein Vertrau’n sei weg, dabei kann das doch gar nicht sein

 

wer keins hat, kann keins verliern, soll schweigen.

 

 

 

Ich weiß, warum du mich verlogen in die Pfanne haust.

 

Ich kenn all die, mit denen du jetzt rumhängst.

 

Hältst du mich für so blöd, dass ich mit dir noch Zeit verschwend,

 

solang du gar nichts checkst, nicht bei dir anfängst.

 

 

 

Läufst du mir über’n Weg, dann tust du oft so überrascht.

 

Du sagst, wie gehts, machs gut, meinst es nicht ehrlich.

 

Du weißt genau wie ich, du wünscht Dir doch, mich träf’ der Schlag.

 

Sag’s mir direkt! Oder ist Dir’s zu gefährlich?

 

 

 

Ich fühl mich gar nicht gut, seh ich, wie du dich bemühst.

 

Vielleicht dass ich die Last noch von dir nehme.

 

Ich weiß, es reicht dir nicht, noch dazustehn, wo du jetzt stehst.

 

Doch merk dir, ich hab nicht deine Probleme.

 

 

 

Ich wünschte dir einmal, du könnt’st an meiner Stelle sein,

 

wie’s wär’, das würd’st du für’n Moment dann wissen.

 

Ich wünschte dir einmal, du könnt’st an meiner Stelle sein,

 

siehst, wie du für mich aussiehst: So beschissen.

 

 

 

 

 

Das war jetzt mal das Gegenteil von nem Liebeslied. Gelungen… selbst wenn es auf mich gemünzt gewesen sei sollte. Sag’s doch endlich… Was ich einfach auch nicht hinbekommen hab, waren Liebeslieder. Am Ende wollt ich’s auch gar nicht mehr. Du hast mir vorgemacht, wie man mit diesem Beziehungskram umgeht - eigentlich doch banales Zeug neben solchen Songs, wie Du sie zu Deinen jungen Protestzeiten geschrieben hast, aber Schwamm drüber… Die Zeiten ändern sich, hast Du ja verkündet, und warum das alles so ist, kann uns der Wind hinterher pusten - kann man also drauf pfeifen…  

 

Was Du in Woodstock nach Deinem Unfall mit den Hawks im Keller aufgenommen hast, diese Keller-Bänder, also Basement-Tapes, das warn schon – zugegeben – ne Menge guter Lieder. Andere Künstler ließen sie dann noch besser klingen. Wie das ging, das hatten vor Deinem Abtauchen die Byrds gezeigt, die Deinen Tambourine-Man um mehr als zwei Drittel gekürzt und mit sattem Sound versehen haben. In England hat Manfred Mann Deine Lieder ausgeschlachtet und richtige Klassiker draus gemacht. Haben sie Dir gefallen? Du sagst ja eh nix…

 

 

 

Ich hatte in der Zeit anderes im Kopf, was Dir egal war: die Rettung Amerikas, meine eigene Karriere, meine Depressionen unter Kontrolle halten. Dabei hat mir der gute alte Alkohol besser geholfen als das Zeug, mit dem die bekifften Hippies die Welt retten wollten. Wir sind uns aus dem Weg gegangen: Wir beide, aber auch die Hippies und ich. Du hast – wohl auch ohne Drogen - eh schon in höheren Sphären geschwebt. Hast keine Protestsongs mehr geschrieben, eher Liebeslieder und Liederlyrik, denen manche Kritiker – Deine Fans sowieso - Literaturqualität zubilligten. Manchmal warst du – oder bist es sogar immer noch – verstockt und trotzig, und damit auch nicht anders als die von Dir besungene verzogene kleine Göre, die sich für erwachsen hält, und der ein abservierter alter Galan auf gemeine Art nachjammert. Dabei hat sich die junge Dame nicht anders verhalten als jener Kerl, der meinte, es lohne sich nicht, zweimal übers Abservieren nachzudenken. Das klang ja irgendwie eher wie ein fröhliches Lied. Vielleicht warst Du diesmal ja sogar selber der Abservierte, und ich kann Dich, wenn ich dieses Lied auch musikalisch eher fröhlicher mache, wie Manfred Mann, Dich aus der Reserve locken, dass Du mal was sagst…  nicht nur dazu…

 

 

 

Ganz wie eine Frau „Just Like A Woman“ Bob Dylan C/0

 

 

 

Das tut bestimmt keinem weh,                                      CFGC

 

dass ich jetzt hier so spät im Regen steh.                     aFGC

 

Jeder weiß Bescheid: Sie hat ein neues Kleid,               FGFG

 

Schleifchen, Bänder sind vergang’ne Zeit                      aGFCdG

 

Sie meint, dass sie die nicht mehr tragen kann.               aFG

 

 

 

Sie will schon wie eine Frau sein, ja genau,                   CGFG

Beim Lieben wie eine Frau sein, ja genau.                     CaFG

mit Seufzen, Stöhnen wie eine Frau sein,                      CaFG

und zerbricht noch wie ein kleines Kind.                        FGC

 

                                                                             FCFGC

 

Jeder sagt, was für ein Schatz.

 

Und sie sagt mir, bei ihr hätt' ich mein’ Platz.

 

Geht’s manchen auch zu weit, bin ich dazu bereit,

 

weiß ich auch, irgendwann hat sie mich leid -

 

da plötzlich hat sie für mich nie mehr Zeit...

 

 

 

Lief im Regen ziellos rum, quälte mich mit dem Warum              a

 

durstig kam ich her.                                                           C

 

Ob ein Fluch auf mir liegt? Doch was schwerer wiegt                 a

 

und mich fast zerbricht: der Schmerz geht nicht -                    G

 

verstehst du nicht...                                                           G7

 

 

 

Ich pass’ in dein Leben nicht rein.

 

Und was nicht sein soll, soll wohl auch nicht sein.

 

Falls wir uns wiedersehn, mal voreinander stehn,

 

Sprich nicht an, was zwischen uns geschehn,

 

als ich weich geworden bin in deiner Hand.

 

 

 

Ah, du wolltest wie eine Frau sein, ja genau.

 

beim Lieben wie eine Frau sein, ja genau,

 

mit Seufzen, Stöhnen wie eine Frau sein,

 

und zerbrichst mich wie ein kleines Kind.

 

 

 

 

 

Hast Du in dünner Luft noch den Überblick? Oder bewahrt Dir Dein Lebenszeit-Projekt die Bodenhaftung: Deine niemals endenden Tour, weltweit über manche Bühnen, für die Du doch ne Nummer zu groß sein solltest… Geht mich ja nix an. Wer’s mag, immer aus dem Koffer zu leben, vor halb leeren Sälen zu spielen. Ich hab mitbekommen, wie die Leute in Scharen aus der Halle strömten, nachdem Mark Knopfler sein Vorprogramm hinter sich gebracht hatte und Du nach der Pause angekündigt warst. Okay, Du machst ja wirklich – oder jedenfalls bis damals - keine Fahrstuhlmusik oder für Lautsprecher in Supermärkten, um die Einkaufsfreude zu fördern. Mann-oh-Mann…wenn Jimmy Hendrix irgendwo mitbekäme, wie Du jetzt Frankie-Boy nachsingst, würd er die Saiten noch mehr kreischen lassen als damals bei der Nationalhymne, vielleicht dann bei Deinem All Along The Watchtower, einer Version, die Dir doch auch gefällt. Aber ich will nichts sagen – hab ja quasi meinen eigenen Sinatra gehabt: Mich in einen viel zu engen Goldlamee-Anzug gezwängt, wie ihn Elvis getragen hatte, und ihn in der New Yorker Carnegie-Hall mit einer Las-Vegas-Show imitiert, die einer unfreiwilligen Parodie gleichkam. Hast vielleicht gelesen, wie die Kritik mich geschlachtet hat. Kunstbanausen auf dem Wachturm…

 

 

 

Oben auf dem Wachturm „All Along the watchtower“  Bob Dyan    D

 

 

 

„Da muss doch irgendwo ein Ausweg sein?“                             e D C

 

So fragt der Narr besorgt den Dieb.

 

„Mir ist hier zuviel Chaos.

 

Wär’ nichts, wenn ich noch blieb.

 

Bauern graben meine Felder um,

 

und Banker trinken meinen Wein -

 

und nicht einer von denen schätzt

 

den Wert von beidem richtig ein.“

 

 

 

„Kein Grund, dass du in den Tisch beißt!“

 

empfiehlt der Dieb kokett.

 

„Es gibt so viele, für die klar ist:

 

Das Leben bringt bloß Spaß im Bett.

 

Aber wir beide kenn’ uns aus.

 

Das ist nichts für uns zwei.

 

Da wolln wir doch mal ehrlich sein -

 

die Zeit ist längst vorbei.“

 

 

 

Oben auf dem Wachturm

 

behalten Prinzen den Überblick.

 

Sie sehn die Frauen komm’n und gehn,

 

schicken die, die zu tief kriechen, zurück.

 

Draußen in der Wildbahn schien’s,

 

als ob ‘ne wilde Katze miaut.

 

Zwei Reiter kamen langsam näher,

 

und der Sturmwind heulte laut...

 

 

 

 

 

Der Überblick kam uns wohl beiden gelegentlich ganz schön abhanden. Wie ich mit Pillen, Alkohol, Depressionen, Aggressionen unter die Räder gekommen bin, erfolglos, obdachlos - hat Dich das irgendwann mal berührt? Oder ging Dir das total am Arsch vorbei? Vielleicht ja doch nicht: Immerhin bist Du mir noch mal helfend zur Seite getreten. Das war, als ich es 73 trotz aller Sauferei schaffen wollte, noch mal ein Solidaritätskonzert auf die Beine zu stellen, zum Gedenken an Salvador Allende und meinen Freund Victor Jara, die kurz vorher beim Putsch in Chile ermordet worden waren. Ging uns ja auch was an. Schließlich hatte die CIA beim Militärputsch mitgemischt. Aber der Vorverkauf lief gar nicht gut, bis Gerüchte aufkamen, es könnte sein, dass auch Du mitmachst. Ab da gingen die Karten weg. Danke noch mal, dass Du dabei warst, trotz aller Differen-zen, die wir mal hatten. Vergess ich Dir nicht. - Aber als Du 74 angefangen hast, Deine Rolling Thunder Revue zu planen, mit vielen alten Kämpen aus der alten Zeit, hast Du mich einfach stehen lassen. Phil Ochs, der Säufer aus der Gosse, sollte draußen bleiben – als ob ich der einzige Säufer gewesen wäre. Dass Du mich so abserviert hattest, ich dann, als es 75 im Herbst losging, nicht dabei war, das fuchst mich immer noch. Tat verdammt weh. Aber ist ja nun auch schon mehr als vierzig Jahre her. Mach Dir keinen Kopf mehr. Vielleicht wär ich ja wirklich besoffen von der Bühne geknallt, hätte die Töne nicht getroffen oder Frauen wie Trump betatscht. Ich hab ja für nichts garantieren können. Aber Dein Album „Blood On The Tracks“ hab ich 75 noch wahrgenommen. Klasse Scheibe. Beeindruckend und soweit ich mitbekommen habe, ist Dir danach dreißig Jahre lang auch kein vergleichbares Album mehr gelungen. Naja, Geschmacksache… Wie eine Scheibe so ankommt, ne Schicksalslaune… wie die, die uns so weit auseinander-getrieben hat – Dich nach oben, mich nach unten.

 

 

 

Schicksalslaune    „Simple Twist Of Fate“   Bob Dylan

 

 

 

Sie saßen da im Dämmerlicht                           A

 

im Park zusammen sprachen nicht.                   A6

 

Sie sah ihm gerade ins Gesicht.                        A9

 

Ihr Blick ließ ihn nicht kalt,                                D

 

er fühlte sich allein und alt.                               d

 

Ihm blieb auch nichts erspart.                           AD

 

Die Schicksalslaune                                         A

 

ist von eigner Art.                                            EA

 

 

 

Sie gingen den Kanal entlang.

 

Sein Vorschlag so verlegen klang.

 

Vielleicht war er auch etwas bang.

 

Sie gingen ins Hotel.

 

Das Eingangslicht schien grell

 

und ihm war so heiß -

 

Die Schicksalslaune

 

fordert ihren Preis.

 

 

 

Als sie die Tür schloss, schlief er schon.

 

Von Ferne klang ein Saxophon.

 

Der Mond, der grinste voller Hohn.

 

Und als er aufgewacht,

 

ging sie noch durch die Nacht

 

und gab dem Bettler Geld -

 

die Schicksalslaune

 

macht, was ihr gefällt.

 

 

 

Er sah sich um. Der Raum war leer.

 

Nichts, was von ihr geblieben wär’.

 

Er tat so, als träf’s ihn nicht mehr

 

und blieb am Fenster stehn,

 

um lang hinaus zu sehen,

 

zermarterte sein Hirn.

 

Die Schicksalslaune

 

will uns nur verwirrn.

 

 

 

Die Uhr tickt laut im leeren Flur.

 

Sein Sittich quatscht in einer Tour.

 

Er heftet sich auf ihre Spur,

 

hofft, sie schon bald zu sehn,

 

wo Matrosen gern hingehn,

 

will, dass sie wiederkehrt.

 

Das Schicksal dreht sich,

 

wie man sich auch wehrt.

 

 

 

Ihr sagt, dass es ein Fehler wär’:

 

Gefühln rennt man nicht hinterher.

 

Ich merk noch heut, sie fehlt mir sehr.

 

Ihr Ring ging mir entzwei.

 

Gebor’n ist sie im Mai.

 

Ich kam zu spät zur Welt.

 

Die Schicksalslaune

 

hat den Weg verstellt.

 

 

 

 

 

Schicksalslaunen… Du hast ja im Laufe Deines Lebens auch ne Menge durch die Kehle laufen lassen, ohne heftige Halsschmerzen, wie ich sie bei mir mit eisgekühlten Flüssigkeiten betäuben wollte. Das war später, nachdem Du Dich von den wiedergeborenen Jesus-Jüngern wieder gelöst hattest. Warum bist Du nur bei denen gelandet? Hast Du Erlösung gesucht? Vergebung Deiner Sünden? Doch wohl nicht, weil Du mich so oft hast stehen lassen? Ignoriert hast? Gesagt hast Du dazu ja nichts, auch wenn Du in der Phase erstaunlich viel über Dich preisgegeben hast, über Deine Erweckung durch Jesus, wie das Leute so machen, die meinen, sie müssten andere zum Glauben erwecken. Und dann hat der Suff Dich auch gepackt. War es anders nicht mehr zu ertragen? Eine Überdosis Jesus? Oder haben alle Gebete nichts genützt, Dir die Schuldgefühle nicht nehmen können? Saß ich Dir weiter im Nacken... Hast Du Depressionen bekommen? Wie ich so viele Jahre vorher? Und bist sie nicht losgeworden? Ohne hochprozentige Hilfe? Ein teuflisches Zeug, wenn der Teufel Dich mal gepackt hat. Deine Lieder, die Du für Studioaufnahmen geschrieben hast, waren schließlich auch nicht mehr so prickelnd. Lauter depressives Zeug. Der Produzent hat Dich angeraunzt, das sei ja nicht mehr zu ertragen. Du solltest gefälligst mal wieder was Leichtes schreiben, über Liebe und so. Das hat Dich dann wohl herausgefordert. Du bist wortlos in die Garderobe abgezogen und nach ner knappen halben Stunde mit nem Liebeslied rausgekommen - allerdings eins mit überbordendem Selbstbewusstsein: So einen wie Dich, den gab’s eben nur einmal. Vielleicht hast Du genau das gebraucht, um Dich aus dem Sumpf ziehen zu können.

 

 


Spürst du, wie ich dich lieb „Make You Feel My Love“ Bob Dylan    DD/0

 

 

 

Schlägt dir kalt der Regen ins Gesicht,                                     D D/C#

 

die ganze Welt für dich zusammenbricht,                                  D/CD/H

 

könnt ich dir Wärme bieten, magst du nicht                               D/HbD

 

mich spürn, wie ich dich lieb.                                                   D/EGA8A9

 

 

 

Schimmert durch Abendschatten Sternenschein,

 

und deine Tränen wolln getrocknet sein,

 

drück ich dich an mich, du bist nicht allein -

 

kannst spürn, wie ich dich lieb.                                                 D/EGD

 

 

 

Ich weiß, Entscheidungen, die brauchen Zeit,                            GD

 

Glaub mir, dir weh tun könnt ich nie.                                         G/EGD

 

Als wir uns sahen, wurd der Himmel weit -                                 Gf#

 

mein Herz will zu dir, weiß nicht wie…                                       D/EGA8A9

 

 

 

Ich würde hungern, nähme Prügel hin,   

 

kröch dir entgegen, ganz egal wohin,

 

würd alles tun – nur, dass ich bei dir bin

 

du spürst, wie ich dich lieb.

 

 

 

Lass Stürme wüten überm wilden Meer -

 

dich zwingend, dich doch umzudrehn.. -

 

Spür Winde wild und frei wehn von weit her -

 

hast ein’ wie mich noch nie gesehn...

 

 

 

Ich will dein Glück, dir jeden Traum erfülln -

 

Was du nicht ansehn magst, vor dir verhülln,

 

solang ich kann dir jede Sehnsucht stilln,

 

spürst du, wie ich dich lieb.

 

 

 

 

 

Also Deine Fähigkeit, Lieder wie ungehobelte Diamanten anzubieten, aus denen dann wieder andere Künstler funkelnde Juwelen schleifen, die hat sich all die Jahre nicht geändert, – muss ich doch jetzt mal zugestehen. Ich krieg ja hier im Abseits nicht alles mit – aber als ich Adele mit Deinem Song „Make You Feel My Love“ gehört habe, hat’s mir fast die Wolke unterm Hintern weggerissen. Donnerwetter – so kann man Lieder von Dir also auch singen… Sind Deine Songs eigentlich unkaputtbar? Zumindest manche? So wie Dein Selbstbewusstsein? Einige hast Du ja selbst zersichelt, aber die vergessen wir mal… Aber ein Liebeslied so einfach aus dem Ärmel schütteln, das hab ich nie hinbekommen – hab überhaupt nie eins geschrieben und wüsste im Rückblick auch gar nicht, für wen ich auf die Idee hätte kommen können. Tja – Pech gehabt. Meine Inspirationen kamen aus anderen Ecken. Da hab ich mit leben müssen. Schwamm drüber. Will auch nicht mehr darüber reden, dass Du es nicht mal für nötig erachtet hast, mich später in Deinen 2004 erschienenen Chronicles mit einem einzigen Wort zu erwähnen, nicht mal in einem Halbsatz. Das sagt doch mehr über Dich aus als über mich… Aber Du kannst mich nicht totschweigen... Ich geh Dir durch den Kopf, mit Ausdauern… Vielleicht lag die Lücke in Deinen Chronicles ja doch an einer Wertschätzung, weil Du nichts Schlechtes oder Böses über mich schreiben wolltest, oder in dem Text über die 4. Strasse schon alles über mich gesagt hattest? Okay, Du willst nicht drüber reden. Du willst gar nicht reden, mit niemandem. Kriegt man so den Nobelpreis? Ah, über den willst Du jetzt auch nicht reden… Na gut, dann sag mal nix.


Ich red nich  „Ain’t Talking” Bob Dylan                           a/2

 

 

 

Heut Nacht geriet ich in nen Zaubergarten,                    a

 

verwelkt die Blüten an den Reben warn,                        a

 

ich kam vorbei an einer klaren Quelle,                           d

 

und dort hat einer mir was angetan...                            a

 

Ich red nich, beweg mich                                              a

 

durch eine Welt, die Leiden übersieht.                           da

 

Ich friere und giere                                                       a

 

danach, dass vielleicht endlich was geschieht?              dEa

 

 

 

Man sagt, Gebete helfen zur Genesung.

 

Mutter, bete, dass der Teufel aus mir fährt.

 

dass ich andern Gutes tu und Nachbarn liebe.

 

Mutter denkt von mir, ich wär nichts wert.

 

Ich red nich, beweg mich,

 

verbrenn die Brücken, eh du sie passierst...

 

ich friere und giere

 

nach Gnade, die nicht winkt, wenn du verlierst...

 

 

 

Ich bin erschöpft vom viel zu vielen Weinen,

 

hab n trocknen Mund, mein Blick ist tränennass.

 

Falls ich je meine Feinde schlafend finde,

 

bring ich sie um, und sag, ich tu's aus Spaß.

 

Ich red nich, beweg mich

 

durch eine Welt voll Rätsel und voll Wahn.

 

Ich friere und giere

 

nach Rettung, doch für mich wird nichts getan.

 

 

 

Die ganze Welt ist voll von Hypothesen,

 

die Welt, von der man sagt, dass sie sich dreht.

 

Wer sagt, du wärst nie bei Verstand gewesen?

 

Man wünscht dir Pech, wenn's dir schon dreckig geht.

 

Ich red nich, beweg mich,

 

ess Schweineaugen in ner Schweinestadt.

 

Ich friere und giere

 

nach dir, dass du dich freust, geht's mit uns glatt...

 

 

 

Mit Macht und Wohlstand wolln sie dich zerquetschen,

 

sobald du abhaust, könnt's gewaltig knalln.

 

Ich werd mein letztes Stündchen trefflich nutzen...

 

ist Vaters Tod gerächt, dann mag ich falln...

 

Ich red nich, beweg mich,

 

nun reich mir mein' Krückstock, sei so nett.

 

Ich friere und giere -

 

was wär', wenn ich dich nie getroffen hätt...

 

 

 

All meine Freunde, echte und loyale,

 

bestärken mich und stehen eng zu mir.

 

Ich such durch Ausprobieren neuen Glauben,

 

ohne Angstaltäre, jetzt und hier.

 

Ich red nich, beweg mich,

 

mein Esel lahmt schon und mein Pferd ist blind.

 

Ich friere und giere...

 

denk an die Frau, die ich nie wiederfind...

 

 

 

Hell steht's am Himmel, sieh, die Kreise fliegen.

 

Ruhm und Ehre, die verwelken nie.

 

Feuer sind erloschen, Lichter strahlen.

 

Sollt mir der Himmel helfen, weiß er wie...

 

Ich red nich, beweg mich...

 

mein Siegel hab ich von nem toten Mann.

 

Ich friere und giere

 

nach einem Zahnarzt, der mir helfen kann.

 

 

 

Das Leiden ist unendlich unerträglich,

 

Tränen fluten jeden Winkel, jedes Eck.

 

Mag nicht mehr spielen und nicht länger heucheln,

 

Angst, die keinen plagt, verliert ihr'n Schreck.

 

Ich red nich, beweg mich

 

und laufe seit der letzte Tag begann.

 

Ich friere und giere

 

und lauf, bis man mich nicht mehr sehen kann.

 

 

 

So fand ich den geheimnisvollen Garten

 

nach einem Sommertag und heißer Tour.

 

Verzeihn Sie, gnädige Frau, könn' Sie mir sagen,

 

wo ich den Gärtner find, hab keine Spur.

 

Ich red nich, beweg mich

 

die Strasse rauf, will um die Kurve gehn.

 

Ich friere und giere,

 

will in das Hinterland der Erde sehn...

 

 

 

 

 

Bobby, ich hör Dir zu, auch wenn Du nix sagst. Mit Liedern wie diesem, die Du 2006 auf der Scheibe „Moderne Zeiten“ drauf hattest, hast Du mich wieder schwer beeindruckt. Und dann ist darauf noch ein Lied zu finden, mit dem Du fast schon wieder an die Zeit unserer Protestlieder angeknüpft hast. Weniger wortgewaltig und plakativ als früher, aber – auch da weiß ich, wovon ich rede – man wird mit den Jahren eben gelassener. War das ein Versuch, an unseren Wettstreit anzuknüpfen, mir zu zeigen, dass Du es doch noch kannst? Lieder mit sozialkritischer Relevanz zu schreiben? Einen Blues zu schreiben über das Leben am Rand, ohne Arbeit, ohne Perspektive, wenn alles den Bach runter geht, man hilflos auf verzweifelte Gedanken kommt, die Familie kaputt geht… ein Lied, das vielleicht vorweggenommen hat, was zehn Jahre später Verlierern durch den Kopf gegangen ist, bevor sie Trump gewählt haben…

 

 

 

Arbeitsblues # 2.0 “Workingman's Blues #2” Bob Dylan              C/2

 

 

 

Abendrot verschwimmt in weiter Ferne,

 

Abgas die ganze Stadt durchtränkt,

 

zwischen Wolken erste Sterne,

 

Wer Geld hat, durch Einkaufstempel drängt.

 

In Portemonnaies zerfällt die Kohle -

 

träum mich nach da, woher ich kam.

 

Weiß nicht, wo ich mir Zukunft hole -

 

wo sucht der, dem man die Arbeit nahm...?

 

 

 

Ich sitz am Tisch, starr' blind ins Leere.

 

Komm auf mein' Schoß und halt mich fest.

 

Mag mir nicht vorstelln, wie es wäre,

 

wenn du mich gerade jetzt verlässt.

 

Ich hör in meinem Kopf Maschinen dröhn'n,

 

drück die Augen zu, so fest ich kann...

 

mein Bauchknurrn lässt mich vor Hunger stöhnen,

 

versuch's zu ignoriern, denk nicht dran.

 

 

 

Setz mich auf die Fußbank an der Eingangstür,

 

schnür mir die Stiefel oder Schuh,

 

ob ich bleibe oder harte Kämpfe führ',

 

den Blues von der Arbeit sing,

 

wer hört mir dann schon zu.

 

 

 

Leg ich an im Hafen, um an Land zu gehn,

 

vom Sturm vertrieben und verschont,

 

steig ich in die Hölle, um nachzusehn,

 

ob, was der Teufel bietet, sich auch lohnt.

 

Versuch meine Seele mit Träumen zu laben,

 

und verschlaf den Tagesrest...

 

wer will schon, was du zu bieten hast, haben,

 

manchmal hältst du's viel zu fest.

 

 

 

Irgendwann fühlt man sich nur noch umzingelt,

 

von andern, die taub sind oder dumm,

 

hört wie's irgendwo zur letzten Stunde klingelt,

 

doch bis zur Reue ist die auch schon um...

 

Man hört kaum Vögel im Dunkel der Nacht,

 

oft ist's kein Vogel, der da schreit -

 

wer nicht schläft, im Bett was anderes macht -

 

hält den Schlaf nur für 'n Tod auf Zeit...

 

 

 

Sitz ich auf der Fußbank an der Eingangstür,

 

schnür mir die Stiefel oder Schuh,

 

ob ich da bleib oder harte Kämpfe führ',

 

den Blues von der Arbeit sing,

 

wer hört mir dann schon zu.

 

 

 

In Flammen ging'n Haus und Auto drauf -

 

hab nicht mal mehr n müden Cent...

 

weiß nicht, was ich mach, wohin ich lauf,

 

werd ich kriminell, wo man mich kennt...

 

Ich wünschte, du wärst hier bei mir,

 

sieh, wie meine Sonne sinkt.

 

Sag, das ist falsch, denk ich von dir,

 

du hast den vergessen, der grad auf dich trinkt...

 

 

 

Sie quäln und reizen, lärmen, hetzen,

 

gehn dir ans Leben Tag und Nacht,

 

vielleicht vergess ich Angst, Entsetzen,

 

aber nie, was man mit uns gemacht.

 

Die Wunden meiner Seele durch deine Sätze

 

sind in mein Gedächtnis eingebrannt...

 

hab nicht gemerkt, dass ich dich verletze,

 

als ich um Worte ringend falsche fand.

 

 

 

Nun sitz ich auf der Fußbank an der Eingangstür,

 

schnür meine Stiefel oder Schuh,

 

ob ich da bleib oder harte Kämpfe führ',

 

den Blues von der Arbeit sing,

 

wer hört mir dann schon zu.

 

 

 

Keiner macht n Vorwurf, niemand Schuld zuschiebt,

 

sieh mir in die Augen, bitte tu's -

 

wer behauptet, ich hätt dich nie geliebt -

 

wenn ich wen geliebt hab, dann bist du's.

 

Holn sie dich am Kragen zum durch die Mühle drehn,

 

bis du kaputt vor ihnen liegst,

 

trampeln auf dir rum, bleiben auf dir stehn,

 

könn'n sie das nur, weil du dich verbiegst.

 

 

 

Geh dem Glück auf 'n Grund, selber grün und blau,

 

und auch du kriegst noch mal deine Chance,

 

wart auf dich, wenn ich aus dem Fenster schau,

 

will mich fröhlich drehn mit dir im Tanz.

 

Bin neu eingekleidet, du bist meine neue Frau,

 

wir leben gut mit Bohnen und mit Reis -

 

manche ohne Arbeit, wissen, wie das geht, genau,

 

mancher nichts vom Wert der Arbeit weiß.

 

 

 

Sitz ich auf der Fußbank an der Eingangstür,

 

schnür mir die Stiefel oder Schuh,

 

ob ich da bleib oder harte Kämpfe führ',

 

den Blues von der Arbeit sing,

 

wer hört mir dann schon zu.

 

 

 

 

 

Also alles für die Katz? Ein einziger Versuch mit Liedern wie damals, und schon resignieren? Hast Du nur Dir selbst beweisen – und mir zeigen – wollen, dass es doch keinen Zweck hat, solche Lieder zu singen, weil doch keiner zuhört, weil sie keiner hören will? Schweig mal weiter – egal worüber, egal worauf, egal warum - die Antworten kennt… -  ah - geschenkt…Ich hör Dir zu… Aber hör Du mir jetzt auch mal zu: Inzwischen hat sich ja das erst reichlich verschnupfte Nobelpreiskomitee darüber freuen können, dass Du Dich doch noch gemeldet hast, anstandshalber. So hat es jedenfalls Ende Oktober der britische „Telegraph“ gemeldet. Ob Du tatsächlich so, wie es da geschrieben steht, geantwortet hast? Du willst den Preis nicht nur annehmen, sondern absolut auch selbst in Stockholm abholen, hast Du denen gesagt. Wenn, ja wenn es Dein Terminkalender zulässt… da ist sie, die Hintertür, sperrangelweit offen gehalten… Warum? Könnte Dich Dein Alkoholpegel hindern? Oder säufst Du inzwischen gar nicht mehr? Die schreiben, Du hättest gesagt, es sei schwer zu glauben, dass Du den Nobelpreis gewonnen hast. Davon zu hören sei fantastisch gewesen, unglaublich. Wer träume schon von sowas…  Na, alter Junge, streikt Deine Phantasie inzwischen? Sprachlos willst Du gewesen sein? Du? Mach mal halblang. Tiefstapeln steht Dir nicht… Du hättest gesagt, Du schätzt diese Ehrung sehr. Ja, guck an… Aber die so lange zappeln lassen und Dein Schweigen dann nachher nicht mal zu erklären... Statt dessen dann die Lippen zu spitzen auf die Frage, ob Du selbst Dein Werk, also Deine Lieder, für würdig genug hältst, dass sie mit dem Nobelpreis honoriert werden …  Du meintest, das sollten mal andere Leute entscheiden, die es besser wissen sollten, solche wie die im Nobelpreiskomitee. DU seiest da nicht qualifiziert und hättest dazu auch keine Meinung. Junge Junge, wie viel Bauchpinselei willst Du denn noch…  Es ist nicht mehr so wie früher, aber weil Du früher mal so wichtig gewesen bist, über einen langen Zeitraum hinweg, in dem sich so viel geändert hat, deshalb hast Du den Preis bekommen. Und ob Du nun hinfährst oder nicht – es sind ja auch schon andere vor Dir zuhause geblieben – wieder aberkannt wird er Dir nicht.

 

 

 

Nix bleibt wie’s war  „Things Have Changed“ Bob Dylan    e/5

 

 

 

Ein Mann, den Angst vor der Angst umtreibt

 

Keiner nah vor mir oder weit hinten bleibt.

 

aufm Schoß ne Frau, der Champagnerrausch gefällt,

 

sie blickt männermordend aus schneeweißer Haut,

 

ich hab zum saphirblauen Himmel hoch geschaut,

 

bin so schick und wart darauf, dass der letzte Zug am Bahnhof hält.

 

Ich steh unterm Galgen, Schlinge um den Hals gelegt,

 

wartend darauf, dass sich jederzeit die Hölle regt…

 

 

 

Leute sind verrückt, Zeiten sonderbar,

 

bin eingesperrt, und wo man mich heut sucht, nicht da,

 

und von dem, was mir früher wichtig war, bleibt nix wie es war.

 

 

 

Der Ort, an dem ich bin, tut mir gar nicht gut,

 

bin völlig fehl am Platz, sollt nach Hollywood,

 

einen Augenblick kam’s mir so vor, als hätt sich was bewegt.

 

Will jetzt tanzen lern’, auch den Jitterbug,

 

alles sieht so aus wie Lumpen, was ich an mir trag.

 

Nur ein Depp glaubt daran, dass sowas irgendwann sich legt.

 

Unter der Brücke fließt viel Wasser und auch sonst ne Menge Zeug

 

erkenn es ganz genau, wenn ich mich über das Geländer beug.

 

 

 

Ging sechzig Kilometer und der Weg war schlecht.

 

die Welt müsste explodieren, hätt die Bibel recht.

 

Wollte dem entgehn, von mir soweit weg wie es geht.

 

Manches kann man nicht berührn, ist viel zu heiß,

 

der Mensch, der sieht so viel, von dem er gar nichts weiß.

 

du kommst schwer voran, wenn dir Wind entgegen weht.

 

Fühl mich wie in die erste Frau verliebt, die ich gesehn.

 

Sie lag über einer Schubkarre, schon war es um mich geschehn.

 

 

 

War verletzt, doch nicht wert, dass man davon spricht.

 

Schnell hat man einem weh getan und merkt es nicht.

 

Und die folgenden Sekunden sind so lang wie ne Ewigkeit…

 

Bin so tief gefalln, flog so hoch hinauf,

 

jede Wahrheit ist gelogen, hört ja keiner drauf.

 

Bin verliebt in eine Frau, der tu ich noch nicht mal leid.

 

Manche suchen einen Ausweg, springen in nen tiefen See -

 

kann mir nicht passiern, soviel tut mir doch gar nicht weh.

 

 

 

Leute sind verrückt, Zeiten sonderbar,

 

bin eingesperrt, und wo man mich heut sucht, nicht da,

 

und von dem, was mir früher wichtig war, bleibt nix wie es war.

 

 

 

 

 

Was bleibt denn nun, Bobby? Wenn ich Dir nur hätte zuhören wollen, wie Du nichts sagst, wenn ich also auch so geschwiegen hätte wie Du, wär unser Gespräch schon lang vorbei. Ich hoffe mal, es war nicht allzu belästigend für Dich.  Wir haben zwar nicht über alles geredet – manches gar nicht angesprochen: Aber die Frage „Was bleibt?“ hängt immer noch im Raum, unbeantwortet. Es kommen andere Zeiten, hast Du die Leute damals aufgeschreckt, aber kamen andere Zeiten? Ist allerhand passiert nach Deiner altklugen Prophezeiung. Die Dinge haben sich geändert, es blieb nichts wie es war, und so wurden es andere Zeiten. Und inzwischen wirst Du auch gemerkt haben, dass sich nicht nur die Dinge ändern, sondern die Menschen genauso – Nichts bleibt so, wie es war – und Du bist ja auch nicht mehr so, wie Du mal gewesen bist. Zumindest jetzt, seit Oktober 2016, bist Du noch mal jemand anders, Nobelpreisträger, eieieieiei, wer hätte das gedacht… das Landei aus Duluth, Minnesota, das erst daheim einen auf Rocker machte, dann sich auf den Weg machte, einen auf Guthrie machte, sich nach New York aufmachte, da einen auf Protestsänger machte, und als er auch dafür gehalten wurde sich ins Hemd machte, sich aus dem Staub machte, einen auf Familie machte, einen auf Popsänger machte, einen auf Country-sänger machte, einen auf Missionar machte, hochprozentige Flaschen aufmachte, aus dem Rausch wieder aufwachte, immer weiter machte, was er wollte, machte, dann sogar einen auf Frankie-Boy machte, und immer wieder einen auf stumm machte… egal, was man von ihm dachte, und bescheinigt bekam, dass das, was er all die Jahre machte, auf seiner Never-Ending-Tour, das war Literatur…  So ändern sich Dinge… und Menschen. Wenn auch Du anders geworden bist, mach ich noch einen Versuch: Was war auf der 4. Straße? Und hast Du mich abstrafen wollen, als Du das boshafte Lied geschrieben hast? Ich dreh jetzt die Schlussstrophe einfach um…

 

 

 

Ganz bestimmt 4. Strasse Positively 4th street“ Bob Dylan                     C/0

 

 

 

Du wünschtest mir einmal,                                                                   Cd

 

ich könnt an deiner Stelle sein,                                                             FC

 

würd dann für ein’n Moment, wie’s wäre, wissen.                                   CGFaG

 

Wenn’s Dir gelungen wär,

 

an meiner Stelle mal zu sein,

 

hätt’st Du gesehn, wie’s war, nämlich beschissen.

 

 

 

Herzlichen Glückwunsch                                                                      C/0

 

 

 

Herzlichen Glückwunsch, mein Herz war kaputt,                                     CF

 

Herzlichen Glückwunsch, nur ein Haufen Schutt,                                    GFC

 

Herzlichen Glückwunsch, jetzt hast du’s geschafft,                                CF

 

Herzlichen Glückwunsch, du hattest die Kraft.                                       GFC

 

 

 

Hab dich, glaub ich, mehr geliebt,                                                        CG

 

als ich je gewusst,                                                                               d

 

Wie leer die Welt doch ist,                                                                    Fd

 

wird mir nun bewusst.                                                                          FC

 

Hätt ich nur noch eine Chance,                                                             CG

 

dein Herz zu gewinn’,                                                                           d

 

ich würd’s anders angehn,                                                                    Fd

 

doch hat Grübeln kein’ Sinn.                                                                 FC

 

 

 

Herzlichen Glückwunsch, hast den Preis nun gekriegt,

 

Herzlichen Glückwunsch, auf ganzer Linie gesiegt.

 

Herzlichen Glückwunsch, der ist nicht geliehn.

 

Herzlichen Glückwunsch, verdient hast du ihn.

 

 

 

Herzlichen Glückwunsch, Herzlichen Glückwunsch

 

 

 

 

 

(Draufgesattelt)

 

 

 

Heute Nacht    I’ll Be Your Baby Tonight“  Bob Dylan C/0

 

 

 

Augen zu. Ich schließ die Tür.                           C

 

Keine Angst allein mit mir.                                D

 

Heute Nacht bleib ich bei dir.                            FGC

 

 

 

Vorhang zu. Ja, lösch das Licht.

 

Komm zu mir und fürcht’ dich nicht.

 

Heute Nacht bleib ich bei dir.

 

 

 

Die Tauben draußen auf dem Balkon -                 F

 

könn’ uns doch nicht stören.                             C

 

Der dicke Mond                                               D

 

scheint wie gewohnt -                                       D

 

soll er sich freuen -                                          G

 

du wirst nichts bereuen.                                    G

 

 

 

Gib den Schlüssel für die Tür. 

 

Hab Vertrauen nah bei mir.

 

Heute Nacht bleib ich bei dir.

 

 

 

Die Tauben gurren auf dem Balkon,

 

könn' uns gar nicht stören.

 

Der dicke Mond scheint so wie gewohnt

 

und wird sich freuen -

 

du wirst nichts bereuen

 

 

 

Schlüssel steckt ja in der Tür...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Konzeption und Manuskript

 

Gerd Schinkel

 

Wildenburgstrasse 32

 

50935 Köln

 

Mail: info@gerdschinkel.de