Anna Politkowskaja

 

Wird Wahrheit verschwiegen, dass sie keiner sieht,

wenn Worte vernebeln, was wirklich geschieht,

sind Fragen verboten und Zeugen erpresst,

kommts auf jeden an, der sich nicht einschüchtern lässt.

 

Soll Krieg kein Krieg sein, Mord auch kein Mord,

gibts Tausende Opfer, kein ehrliches Wort,

ist Klartext geboten, nicht Diplomatie -

Mörder verzeihn ihren Anklägern nie.

 

Anna, es lebt sich gefährlich,

geschmäht und bedroht -

doch Anna hat weiter geschrieben

bis in den Tod.

 

Der Kaukasus brennt, Anna schaut hin,

schreibt auf, was sie sieht, geht raus, und ist drin,

forscht nach den Gründen, fragt unbequem viel,

Klarheit zu finden, die Wahrheit als Ziel.

Nicht nur Tschetschenen ihr Leben verliern,

an Verbrechen, von Moskau befohlen, krepiern.

Wer fragt, ist gefährlich, wer forscht in Gefahr -

Kein Mörder verzeiht, kommt man ihm zu nah.

 

Anna – es lebt sich gefährlich,

geschmäht und bedroht –

doch Anna schreibt um ihr Leben,

schreibt bis zum Tod.

 

Beschattet, sobald sie die Wohnung verlässt.

Sie weiß, was ihr droht, wenn sies Fragen nicht lässt.

Zum Himmel schreit Leid, die Welt ist nicht gerecht -

wer an den Pranger gestellt wird, sich irgendwann rächt.

So wird sie gejagt, ihr mit Gift zugesetzt,

ihre Kraft noch gestärkt, ihr Mut unterschätzt.

Dann im Hausflur: Der Killer schießt auf sie ein -

Zwei Kugeln der Mörder, die niemals verzeihn.

 

Anna – sah klar die Gefahr,

geschmäht und bedroht,

doch Anna schrieb für das Leben,

schrieb bis zum Tod.

 

Im Kreml schweigt Putin zu dem, was geschah.

Ihm nützt ja der Mord, wer auch Drahtzieher war.

Wer keck aus der Deckung den Kopf heraus reckt,

wird mundtot gemacht, hinter Gitter gesteckt.

In Hannover, im Reihenhaus-Basta-Palast,

wird wortreich ein freundliches Zeugnis verfasst:

für den Kinder- und Gas-Liefer-Freund, lupenrein! –

Wer Despoten verzeiht, wird auch Mördern verzeihn.

 

Anna – du lebtest gefährlich,

geschmäht und bedroht,

und was du geschrieben, bleibt richtig,

auch nach deinem Tod.

 

Kein Mörder verurteilt, kein Täter gefasst,

niemand bestraft, dem ihr Tod so gut passt.
Den Freispruch kassiert, es folgt ein neues Verfahrn -

ohne die, die im Hintergrund die Schuldigen warn.

Was der Kreml beherrscht ist ein rechtsfreier Raum,

sein Recht findet man dort höchstens im Traum.

Ein Traum, an dem Anna Politkowskaja hing –

Und die nicht ihren Mördern in Russland entging.

 

Anna – du lebtest gefährlich,

geschmäht bis zum Tod,

doch was du geschrieben noch heut

deine Mörder bedroht.

 

Copyright 2009  Gerd Schinkel

 

Die Kölner Liedermacher-Gruppe „Schlagsaite“ gehört – von meinem Alter aus gesehen - zur jüngeren Generation und singt Lieder, die durchaus in der Tradition vorangegangener Liedermacher-Jahrgänge stehen. In ihrem Lied „Seltsame Zeiten“ fragen sie, warum in politischen Liedern so leicht über die USA, Bush, Krieg und Irak gesungen werde, es aber keine Lieder über den Krieg in Tschetschenien gebe oder über den Völkermord im Sudan. Der Stachel saß. Mit dem Lied über die mutige russische Journalistin Anna Politkowskaja, die wegen ihrer aufrüttelnden Artikel über den Krieg im Kaukasus ermordet wurde, habe ich versucht, diese „Lücke“ zumindest in meinem Repertoire zu schließen.