VERGANGENHEITSAUFARBEITUNG

 

 

 

Tun Fanatisten so, als wär doch nie was gewesen,

 

als wären sie inzwischen vom Fanatismus-Tripp genesen,

 

und was längst vergangen ist, das wär jetzt abgehakt,

 

und man glaubt an das nicht mehr, was man unlängst selbst gesagt.

 

Kommen sie scheiß-freundlich fröhlich pfeifend um die Ecke,

 

und was ihnen peinlich ist, kehrn sie unter die Decke.

 

was heute ihnen peinlich sein sollt, sie heut nicht mal hemmt.

 

Sie geben sich als wärn sie völlig schuldlos angeschwemmt.

 

 

 

Ach, wie war es doch ne schöne Zeit, die man nicht missen möchte,

nicht missen will und dreimal nein: Im Rückblick tut auch gar nichts leid.

 

 

 

Sind sie drin geübt, Verlegenheit nicht mal zu zeigen.

 

Über manche Themen könn’n sie laut vernehmbar schweigen.

 

Von scheinheiliger Höflichkeit und unerträglich nett -

 

Als gäb’s kein‘, der mit ihn‘n ein Hühnchen noch zu rupfen hätt.

 

Schwarze Flecken sind verdeckt - und doch auf ihrer Weste.

 

Wie aus einem früheren Leben nur lästige Reste,

 

die man auch am liebsten übersieht und überdeckt,

 

kriegt man sie partout nicht unauffindbar mehr versteckt.

 

 

 

Mit dem mal Gewesenen, so haben sie gesprochen,

 

haben sie, so sagen sie, doch lange schon gebrochen…

 

Was irgendwann mal irgendwo vor Jahrn gewesen war,

 

sei doch inzwischen längst vergessen, und schon nicht mehr wahr.

 

Aber ist dann doch noch irgendwie ne Rechnung offen,

 

kriegt man die Quittung kalt serviert, und zeigt sich sehr betroffen.

 

Sagt, das war ja damals doch gar nicht so gemeint…

 

und wär auch gar nicht so gewesen, wie es jetzt wohl scheint.

 

 

 

Fanatiker von gestern wärn heut gern ehrbare Leute,

 

selbst Rufmörder sehn sich nicht als des Wahnsinns fette Beute…

 

Klar ist, dass zwar jeder eine zweite Chance verdient,

 

doch nur, hat man begang‘nes Unrecht wirklich auch gesühnt.

 

Wer, als in vergang‘ner Zeit Fanatisches passierte,

 

sich opportunistisch nicht davon klar distanzierte,

 

sollte um Vergebung bitten, dieses nicht versäumen -

 

und nicht etwa von Pardon ohne Sühne träumen.

 

 

 

© 2023 Gerd Schinkel