STEINE IM WEG
Träume fliegen weit über jeden Horizont, GD9CH8
Grenzen überquerend, finden eine neue Welt, a6H8CD9
lassen sich nicht halten, niemand bremst sie aus, GD9CH8
brauchen keinen Antrieb, keinen Treibstoff oder Geld a6H8CD9G
Was machen wir? Wir legen Steine in den Weg – DD9G
ziehen Zäune hoch und sperrn die Träumer ein. CH8a6D
Schaun auf Stempel und Papiere, weisen Stempellose ab, GD9CH8
wer keinen Stempel hat, darf hier nicht länger sein. a6H8CD9G
Wir sagen ihnen, was sie nicht dürfen, was sie nicht solln. DD7G
Statt denen zu helfen, die ihre Träume wahrmachen wolln. DD9G
Wir fragen nach Stempeln, weil uns die Menschen nicht interessiern. CD9e
Egal, wenn sie den Glauben an ihre Zukunft verliern. CD9G
Hoffnung zieht auf Flügeln weit über das Land,
Schluchten überwindend, Wüsten, Berge, Meer,
sie stirbt zuletzt, so sagt man, vertraut auf ihre Kraft,
tut dabei beinah so als ob sie unsterblich wär.
Was machen wir? Wir stellen Hindernisse auf,
schließen Türn und Fenster möglichst fest,
Stelln ne Menge Fragen, wolln die Antworten nicht hörn,
machen Auflagen, setzen Voraussetzungen fest.
Sehnsucht in der Ferne, weit weg von zuhause,
Aufenthaltsgenehmigung nur befristet gilt
unruhiger Schlaf auf Matratzen voller Dreck,
zerknittert in der Jackentasche ein vergilbtes Bild,
Was machen wir? Fertigen die Verfügung aus,
und angeordnet wird sofortiger Vollzug.
Zucken die Schultern, fallen Umstände uns auf,
nach Dienstschluss Feierabend – Der Tag war lang genug.
Leben von Gelegenheiten, ohne eine echte Chance,
Zumutungen ausgehalten, Ausdauer gezeigt,
Enttäuschungen verschwiegen, verstellt am Telefon,
vorgespielte Zuversicht, die sich dem End zu neigt.
Was machen wir? Sortieren Akten in den Schrank?
Und stellen fest – aus den Augen, aus dem Sinn.
Per Mausklick schließen wir die off‘ne Datenbank –
Und freun uns über demoskopischen Gewinn.
Zäune hochgezogen, Steine in den Weg,
Wälle aufgeschüttet, Mauern zementiert
Träume ausgehebelt, Hürden aufgetürmt,
Hoffnungen betrogen, Menschenrechte ausrangiert.
Was machen wir? Nichts anderes, als die andern auch.
Wir schaun gelegentlich mal höchstens auf die Uhr.
Die Arbeitszeiten sind geregelt nach Tarif,
In der Behörde sind die Dienste ne Tortur…
Von Beamten abgefertigt, und der Aufenthalt verwehrt,
ohne Gnade abgeschoben, und Ermessen ignoriert,
in schwarzen Richterroben Menschlichkeit nicht vorgesehn,
Zustimmung in Umfragen zufrieden bilanziert.
Was machen wir? Wir sehn den Wald vor Bäumen nicht.
Und jede Abschiebung ist ein zerplatzter Traum.
Wir schreiben höchstens ne Notiz für den Bericht -
und Träume, die wir nicht verstehn, berührn uns kaum.
© 2023 Gerd Schinkel