PROSAISCH GEFRAGT

 

 

 

Fragt ihr, was ich künftig mache,

 

wenn ich nicht mehr so oft sing?

 

Wie ich nun in Zukunft all die

 

frei gewordene Zeit verbring?

 

Leg ich jetzt vielleicht Patiencen?

 

Leg mich auf ne Sonnenbank?

 

Fress‘ ich mir jetzt einen Wanst an?

 

Oder hunger‘ ich mich schlank?

 

 

 

Schreib ich künftig Leserbriefe?

 

Schau ich nur vom Sofa fern?

 

Schaff ich mir nen großen Hund an?

 

Beam ich mich auf einen Stern?

 

Fang ich jetzt noch an zu angeln?

 

Spring mit einem Fallschirm ab?

 

Sing im Musikantenstadl?

 

Geb ich gleich den Löffel ab?

 

 

 

Fang ich jetzt was Neues an,

bis mich am Ende jeder kennt -

bewerbe ich mich auf die Stelle

als Poet im Parlament…

 

 

 

Ein Parlamentspoet dem Volk

 

deutlich den Eulenspiegel zeigt,

 

müsste die Volksvertretung über

 

Unrecht schreien, aber schweigt.

 

Wenn sonst niemand Worte findet,

 

keiner Unsagbares sagt,

 

man nicht weiß, was mitgeteilt wird,

 

wenn nach Wahrheit niemand fragt,

 

 

 

der in wohlklingenden Sätzen

 

keine Tatsachen versteckt,

 

und das Land, das vor sich hindämmert,

 

mit lautem Klartext weckt,

 

und nicht feige sich verkneift,

 

was niemand hören mag und will,

 

klar beschreibt, was jeder hört,

 

bleibt sonst im Land auch jeder still.

 

 

 

Gern fang ich was Neues an

bis mich am Ende jeder kennt -

Ich bewerb mich auf die Stelle

als Poet im Parlament.

 

 

 

Den man nicht einfach überreden

 

kann, doch drüberweg zu sehn,

 

der nicht unverständlich labert,

 

und für jeden zu verstehn.

 

Der Gesagtes nicht beschönigt,

 

nicht verschämt in Watte packt,

 

nicht verleugnet, wenn ein Kaiser

 

unbekleidet dasteht, nackt,

 

 

 

der entlarvt, was steckt dahinter,

 

wenn einer redet und nichts sagt,

 

wenn jemand blumig formuliert

 

und man es nirgends hinterfragt,

 

der sich, wenn man ihn übertönt,

 

nicht nur die Lippe blutig beißt,

 

der nicht wegschaut oder hört,

 

wenn man ein ganzes Volk bescheißt.

 

 

 

Ich mach mir Reime auf Gesetze,

 

dass sie jeder auch versteht.

 

Kann Paragraphen übersetzen,

 

wenn man Recht zu Unrecht dreht,

 

hol Gedichte aus Verträgen,

 

mach aus Akten Poesie,

 

verwandle Vorlagen in Lyrik –

 

und verrate keinem, wie…

 

 

 

Aber nur, kann ich so dichten,

 

wie‘s mir mein Gewissen sagt,

 

und die Reime meiner Lieder

 

mir keiner vorzuschreiben wagt.

 

Ich versuch‘ auch nicht zu gendern,

 

weil das nun mal scheußlich klingt,

 

ist egal, ob man es leise

 

oder laut liest oder singt

 

 

 

Ich bin ausgebildet und ich

 

hab Erfahrung im Metier,

 

komm vom Klo mit einem Lied

 

zurück, besinge, was ich seh,

 

hab ne Menge schon erzählt

 

als Parlamentskorrespondent,

 

ich weißs manches, doch nicht alles,

 

kenn mehr als so mancher kennt.

 

 

 

Find ich auch mit meinen Liedern

 

nicht den Weg in jedes Ohr

 

ich weiß gut zu unterscheiden,

 

keiner macht mir etwas vor,

 

kann von Gutem Schlechtes trennen,

 

genauso wie ich Müll sortier,

 

fang nicht panisch an zu suchen,

 

wenn ich die Geduld verlier.

 

 

 

Wäre dort denn einer nötig?

 

Wird dort einer grad gesucht?

 

Wenn wirklich einer dort gebraucht wird –

 

warum werd ich nicht gebucht?

 

Schon seit Jahren schreib ich Lieder,

 

Strophen, Verse, die ich sing.

 

Was aktuell im Land geschieht,

 

ich in gereimte Zeilen bring.

 

 

 

Untersteh ich dem Präsidium?

 

Gehör ich zu jeder Fraktion?

 

Bin so der Schalk in der Regierung,

 

der Hofnarr der Opposition.

 

Undichtes wird von mir gedichtet,

 

was innen hohl ist, füll ich auf -

 

bin nicht zum reinen Reim verpflichtet,

 

und was mir einfällt,

 

das heb ich für euch auf.

 

 

 

Copyright 2022 Gerd Schinkel