Am Fensterkreuz                               a/3

 

 

 

Er hat panische Ängste, nie einem was getan,                                ae

 

war niemals im Weg, immer scheu von Anfang an.                        FGa

 

Bloß hier nicht auffalln, weil er nicht hier hingehört.                         ae

 

Stets drauf bedacht, dass er nie und bestimmt keinen stört            FGa

 

Ein Junge war er noch, als er den Weg hinter sich ließ.                  dGCIa 

 

War’s nicht erst gestern, dass Mutter die Richtung ihm wies.         dGE7

 

„Folg immer der Sonne nach, dahin, wo sie untergeht.                   dGCIa  

 

Mach es wie sie: Nie zurück - sieh, dass sie sich nie dreht...“         FGa

 

 

 

Refrain:

 

Leben ist ungewiss, Hoffnung ein schimmerndes Licht.                  CEa

 

Zukunft strahlt manchen im Glanz - doch für andere nicht.           FGE

 

Und der Innenminister strahlt breit übers ganze Gesicht -               CEa

 

Ein Abschiebungsflug zum Geburtstag, wer freut sich da nicht.     FGE

 

Der Innenminister lacht breit übers ganze Gesicht –                       FGEa

 

Ein Abschiebeschicksal wie dieses kümmert ihn nicht.                   FGa

 

 

 

Nach Jahren des Irrwegs kam er tatsächlich dort an,

 

wo man, wie ihm die Mutter gesagt, sicher gut leben kann.

 

Niemanden sah er, der sich mit Gewehren behängt,

 

statt dessen, dass man ab und zu ihn mit Lächeln empfängt.

 

Fremde Menschen brachten ihm Nahrung, Kleidung, Vertraun.

 

Sein Mut kam zurück, ihnen auch in die Augen zu schaun.

 

Nicht jeder war freundlich - er sah, mancher mochte ihn nicht.

 

Doch denen, die freundlich warn, lachte er gern ins Gesicht.

 

 

 

Einquartiert wurde er in einem hässlichen Haus,

 

mit Menschen, geflohen wie er - dort hielt er es kaum aus.

 

Er lernte die Sprache des Landes, verstand schon bald viel,

 

wollte bleiben und hielt es für ein realistisches Ziel.

 

Leben ist teuer, hat man dafür zu wenig Geld -

 

und sieht, was Leben so bietet, was davon gefällt.

 

Bleibt, was man will, unerreichbar, weckt das oft Neid.

 

Die Reizbarkeit wächst und Ungeduld führt leicht zu Streit.

 

 

 

Er nimmt, was er will, gewaltsam und wird kriminell –

 

Träume zerplatzen, Hoffnung zerbricht ziemlich schnell.

 

Auf zu schmalem Grad geht er dabei noch ungeschickt -

 

und kommt nicht nur einmal mit dem Gesetz in Konflikt.

 

Er fuhr spät aus der Stadt zurück im fast leeren Bus,

 

bis zur Endstation, ging den Rest des Weges zu Fuß.

 

Schwarz warn die Männer, aber dann weiß er nichts mehr,

 

mit Stiefeln oder Stangen, verletzten ihn schwer.

 

 

 

Die Polizei hat ihn in ihrer Datei registriert,

 

als einen, der sich offensichtlich nicht gern integriert.,

 

man habe ihm doch, wo er herkam, nie was getan...

 

Vater und Brüder nur umgebracht von Taliban.

 

Nach der Abschiebungsverfügung kam er erst mal in Haft,

 

für Herkunft und Angst, für Flucht und sein Leben bestraft.

 

Im Flugzeug nach Kabul dann saß er nicht für sich allein –

 

Würd ihn Mutter so sehn, würd es ein Schock für sie sein...

 

 

 

Nach Kabul verfrachtet, zurück in die Hölle gebracht –

 

Schien heiß auch die Sonne, für ihn war es schwärzeste Nacht.

 

Wo konnte er bleiben, wo man ihn vielleicht leben ließ?

 

Wo er nicht auf Mißtraun und Hass oder Drohungen stieß.

 

Zurück in den Bürgerkrieg hatte er sich nicht gedrängt,

 

und hing einen Tag später am Fensterkreuz morgens erhängt.

 

Die Mutter in Kundus nichts von seinem Schicksal erfuhr –

 

Ihre Briefe, die sie an ihn schrieb, kamen nicht mal retour.

 

 

 

Copyright 2018 Gerd Schinkel

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