MEIN EUROPA

Habt ihr verdrängt, was ihr gesehn?                 a

Soldaten, die auf Posten stehn,                         a

und jeden Übergang blockiern,                         H7/5-

da darf nicht jeder frei passiern,                       dE

nur der, der abgestempelt ist,                           a

und ihnen aus den Händen frisst.                      a

Habt ihr vergessen, wie es war?                      H7/5-

An jeder Grenze warn sie da,                            dE

die Posten mit ihren Gewehrn,                         C

mit obrigkeitlichem Begehrn                             G

mit starrem, misstrauischem Blick,                   F

nein, die Zeit will ich nicht zurück.                    Ea

 

Wisst ihr nicht mehr, wie ihr geschluckt,

als man voll Mißtraun euch bekuckt.

Wie habt ihr innerlich gebebt,

voll Scham Entwürdigung erlebt.

Zu viele warn zu lange Zeit

noch nicht zum Neubeginn bereit.

Manch Grenzen findet man nicht mehr -

 allein sich's vorzustelln, fiel schwer.

Man kam sich näher, Schritt für Schritt,

sogar die Grenzer gingen mit

und zogen ab - der Weg war frei,

und auch die Stempelei vorbei.

 

Entfiel euch, wie ihr doch erlebt,

wie langsam sich ein Schlagbaum hebt,

und kann man ungehemmt passiern -

wie sich das anfühlt, ohne friern...

Wenn man erstaunt im Nachbarland

sich so willkommen wiederfand,

ohne zu zögern Freundschaft schloss,

und das Beisammensein genoss.

Und was nicht selbstverständlich war,

war bald normal und sonnenklar,

man hat sich offen angeschaut,

gemocht, geschätzt, geliebt, vertraut.

 

Und es scheppert laut das Scherbengericht,

manche wolln es nicht wahrhaben, hören es nicht,

wolln sich nicht kümmern umgeben von Trümmern,

und wird Licht ausgemacht, dann ist ringsherum Nacht.

 

Heut hört man Demagogen blind,

die spät ins Glück geboren sind,
die Postenwillkür nie erlebt,

an Grenzen nie vor Wut gebebt,

nicht sehn, was auf dem Spiele steht,

wenn man Europa rückwärts dreht.

Wer spaltet Völker, dort wie hier?

Wer spielt mit dir und auch mit mir?

Wer hetzt uns gegen'ander auf,

bis auf die Spitze, hört nicht auf,

geht davon aus, dass er gesiegt,

wenn nur genug in Trümmern liegt.

Was kam zuerst: Das Huhn, das Ei?

Wer fing an mit Betrügerei?

Wer hat kassiert und wer geblecht?

Wem ging es gut, wer lebte schlecht.

Wer soll für wen nun gerade stehn?

Wer will nur andere bluten sehn.

Wer treibt sein Land in seinem Wahn

mit Populismus aus der Bahn,

hält sich für links und für gerecht -

mir wird kotzübel, mir wird schlecht.

wenn einer, der auf Macht nur schielt,

bloß mit den kleinen Leuten spielt.

 

Nicht jeden, der sich frech links nennt,

man auch an linkem Tun erkennt:

Wer rechts mit Partnern koaliert,

mit Diktatoren gern paktiert,

was ist der? Links? Ich lach mir fast,

wär's nicht so bösartig, n Ast...

Auch hierzulande, hört gut hin,

und forscht mal nach dem tiefren Sinn,

Wer für wen nicht mit Beifall geizt,

für links sich hält und eitel spreizt,

wer schweigt und wann und auch warum?

Was ist da links dran? Was nur dumm?


Und es scheppert laut das Scherbengericht,

manche wolln es nicht wahrhaben, hören es nicht,

wolln sich nicht kümmern umgeben von Trümmern,

und wird Licht ausgemacht, dann ist ringsherum Nacht.

 

Ihr, die ihr straff die Strippen zieht,

vor Steuern, die ihr sparn wollt, flieht,

und euch subventionieren lasst,

Respekt verweigert, wenn's euch passt,

auf andere hämisch nieder schaut,

euern Profit zusammenklaut,

nur euren eignen Vorteil sucht

und jede Einschränkung verflucht,

euch nie begnügt, und Not verfügt,

Sparer betrügt, Wähler belügt,

zieht mein Europa nicht in Dreck,

nehmt eure Raffgier-Finger weg.

 

Europa, das man wachsen ließ,

ist lange noch kein Paradies,
mag's auch für viele schon eins sein,

und gerade deshalb wolln sie rein.
Es gibt genug zu repariern -

doch das geht nicht mit demoliern...
mit großer Klappe, Muskelspiel,

gewinnt man nichts, verliert zu viel.

Wer kräftig Porzellan zerschlägt,

den Ast, auf dem er sitzt, zersägt,

doch sitzt er darauf nicht allein,

geht das in manchen Kopf nicht rein..?

 

Habt ihr das, was euch nicht gehört -

Europa - skrupellos zerstört,

wenn dieser Kontinent zerfällt,

glaubt ihr, euch nützt all euer Geld?

Haltet ihr nicht, was ihr versprecht,

werdet ihr sehn, dass sich das rächt,

Europa seid nicht ihr allein,

da könnt ihr noch so lauthals schrein.
Macht mein Europa mir nicht klein!

Nein, dies Europa ist auch mein!
Ich lass euch mein Europa nicht,

weil mir Europa mehr verspricht....

 

Und es scheppert laut das Scherbengericht,

manche wolln es nicht wahrhaben, hören es nicht,

wolln sich nicht kümmern umgeben von Trümmern,

und wird Licht ausgemacht, dann ist ringsherum Nacht.

 

Copyright 2015 Gerd Schinkel