GEWALTIG

 

Er ist ein Dichter mit genauestens geregelter Arbeitszeit.

Und die Gitarre liegt beim Liederschreiben immer neben ihm bereit.

Wenn er nach dem Frühstück regelmäßig dann an seinem Schreibtisch sitzt,

sucht er für Texte neue Themen oder Worte, so gekonnt, gewitzt.

II: Mit Routine geht doch alles besser, mit Erfahrung gut,

weiß der Sänger, der der Sprache hin und wieder mal Gewalt antut.:II

 

Er hat ehrgeizige Ziele: Er will monatlich ein neues Lied,

über das, was er so hört, was er so liest, und was er fühlt und sieht.

Was ihm gelegentlich so einfällt, wird sofort, eh er's vergisst, notiert,

macht so vorbildlich sein Handwerk, ganz gewissenhaft und talentiert.

II: Manche Zeilen hält er für geglückt, manchen Vers für gut -

er ist der Sänger, der der Sprache hin und wieder mal Gewalt antut. :II

 

Gelegentlich füllt er die Zeilen rigoros ohne sich ausbremsen zu lassen

            mit mehr Silben als eigentlich hineinpassen - das geht...

da kümmert er sich weder um Aussprache-Regeln noch darum, ob jeder

            es sicher und auch ganz bestimmt noch immer gut versteht.

denn künstlerische Freiheiten sind das, was Dichter sich nie und nimmer mehr

            was auch geschehen mag auf keinen Fall nehmen lassen dürfen,

die so mit viel Talent in den poetischen Untiefen ganz ohne Gewissensbisse

            so weit sie vorzudringen vermögen tief schürfen,

II: und so macht er konsequent was er will - innen heiß vor Glut -

was kann die Sprache denn dagegen machen, wenn er ihr Gewalt antut. :II

 

Auf einmal singt er dann ein langes Lied, das er nicht selber schrieb,

kein Wort ist falsch betont, keine Regel unbeachtet blieb.

Dass es nicht aus seiner Feder floss - unnötig, dass er's betont,

zu viele Worte, die er selber schrieb, blieben von ihm ungeschont.

So hat er seine eigene Handschrift und zeigt trotzig unverkennbar Mut,

wie er der Sprache konsequent und unverwechselbar Gewalt antut.

So hat er seine eigene Handschrift und zeigt trotzig unverkennbar Mut,

nach allen Regeln seiner Kunst gelingt ihm, was er macht, ganz gut.

 

Copyright 2013 Gerd Schinkel