GLÜCKSTADT

 

Er war ein Junge mit Eigensinn,

der sich nicht beugte auf Pfiff.

Was in ihm war, war in ihm drin,

und keiner ihn begriff.

Er wollt sein’ Weg gehn, ungelenkt –

ihn anzuweisen hatte kein’ Zweck.

Zunächst ins Abseits abgedrängt,

schloss man ihn hinter Gitter weg.

 

Sein Pech war, dass er nach Glückstadt kam,

da gab’s ein Haus, dafür umgebaut,

wo man ihn brutal in die Mangel nahm –

wer’s wusste, hat nicht hingeschaut.

Wärter mit brauner Vergangenheit,

die wussten, wie man was erreicht,

gründlich, gewissenhaft, stets bereit –

grausam war’s kinderleicht.

 

Jungs, die nirgends zuhause warn,

herumgeschubst ihr Leben lang,

in Glückstadt gelandet, ham dort erfahrn,

Hass wächst mit Druck und Zwang.

Gekonnt geprügelt und schikaniert,

auf Nazi-Weise, wie gewohnt,

KZ-Erfahrungen ausprobiert,

was auch hier wirkt und sich lohnt.

 

Sein Pech war, dass er nach Glückstadt kam,

da gab’s ein Haus, dafür umgebaut,

wo man ihn brutal in die Mangel nahm –

wer’s wusste, hat nicht hingeschaut.

Wärter mit brauner Vergangenheit,

die wussten, wie man was erreicht,

gründlich, gewissenhaft, stets bereit –

grausam war’s kinderleicht.


Die Fürsorgeanstalt steht nicht mehr,

wo man Jungs die Jugend nahm.

Quälereien sind lange her,

als man direkt in die Hölle kam.

Auf einer Tafel steht, was geschah,

als keiner davon offen sprach

und niemand hinter die Mauern sah -

die Qual der Jungs - der Stadt zur Schmach.

 

Sein Pech war, dass er nach Glückstadt kam,

da gab’s ein Haus, dafür umgebaut,

wo man ihn brutal in die Mangel nahm –

wer’s wusste, hat nicht hingeschaut.

Wärter mit brauner Vergangenheit,

die wussten, wie man was erreicht,

gründlich, gewissenhaft, stets bereit –

grausam war’s kinderleicht.


Als Junge zog ich aus Glückstadt fort,

hab gern erzählt, wo meine Wiege stand,

Es hörte sich an wie ein glücklicher Ort,

aus einem ebenso glücklichen Land.

Ich nahm’s als Glücksfall – wusst ja nicht,

was damals immer noch geschehn.

Die Anstalt laut dagegen spricht,

sich stolz als Glückstadts Sohn zu sehn.

 

Copyright 2012 Gerd Schinkel