NACH DEM KRIEG

 

 

 

Wir sehen uns wieder, nach dem Krieg um halb acht,           CH8a6H8

 

und dann wird an die Schrecken ein Haken gemacht,           a6D9H7e

 

als könnt man vergessen, was uns Lebenskraft nahm,           a6DGC

 

wie die Menschlichkeit unter die Räder kam.                        D9eADD7

 

Schieben wir einen Deckel auf den Abgrund der Zeit           CDH7e

 

von der Last der Erinnerung uns kein Wegschaun befreit.           a6GD9e

 

 

 

Wir treffen uns, wenn es vorbei ist, um neun,

 

wolln uns an einem besseren Leben erfreun

 

und hinter uns lassen, was zu lang uns bedrückt,

 

uns aufrichten, gerade, und nicht mehr gebückt,

 

um hinzuschaun, um endlich doch zu verstehn,

 

wie war es bloß möglich, wie konnt das geschehn.

 

 

 

Wir wolln uns erzählen, sehen wir uns um zehn,

 

was wir uns nun vorstelln, wie soll‘s weitergehn.

 

Wir könn nur nicht so tun, als wär gar nichts passiert -

 

war zu sehn, wohin‘s führt, wenn man den Kompass verliert,

 

nicht mehr weiß, was ist richtig, und was ist verkehrt,

 

sein Gewissen verleugnet, sich nicht ausreichend wehrt.

 

 

 

Wir sind längst nicht fertig, nachts um halb zwei.

 

Sind wir auch erschöpft, ist es noch nicht vorbei,

 

solang nicht geklärt ist, was gewesen, was war,

 

sind die Schatten der Dunkelzeit immer noch da,

 

und man darf sich nicht zwingen, einen Schlussstrich zu ziehn -

 

man kann der Vergangenheit niemals entfliehn.

 

 

 

Wolln wir morgens nicht scheitern, werden doch noch gescheit,

 

dann sind Antworten zwingend auf erlittenes Leid,

 

Narben sind zu ertasten und nicht nur zu sehn -

 

es gelingt nicht, sich unwillig abzudrehn.

 

Wenn niemand nach Gründen und Ursachen fragt,

 

haben wir unbestreitbar am Ende versagt.

 

 

 

© 2024 Gerd Schinkel