DER FLUCH AUF FORTUNA

Ein Fluch lastet hoch auf Fortuna,              CH8aa/G

der offenbar hier keinen drückt,                  FG

der in Glückstadt heute zuhause –             CH8aa/G

die Stadtgründung scheint so geglückt.      DD7G

Besucher stehn heut auf dem Marktplatz,   ea

entzückt von Idylle und Charme,                DD7G

pittoreske Gebäude im Rundblick               CH8aa/G

der Lohn für den Weg, den man nahm.      FGC

Der Hafen am Ufer der Elbe bleibt 

von Kreuzfahrerriesen verschont -

man schätzt die beschauliche Altstadt, 

die man hier genießt und bewohnt.

Der Reichtum vergangener Zeiten 

ist längst abgeblättert, verblasst. 

Was man hier geschäftig verdiente, 

haben Adel und Händler verprasst. 

Fortuna, verhüll deine Augen                     FG

und nicht nur schamhaft den Schoß.          CH8aa/G

Denn das Elend, das zu deinen Füßen       DD7

seinen Anfang nahm, war riesengroß.        GG7

Nicht nur Heringe hat man gefangen,         FG

auch nicht nur Krabben gepult,                   CH8aa/G

nicht nur Grönlandfahrer erwartet,              FCa

um Reichtum auch anders gebuhlt.            FGC

Vermögen mit Handel im Dreieck: 

Glückstadt, Westafrika, Neue Welt -

Die gefragtesten Waren geladen – 

geliefert, gebracht, was bestellt.

Schnaps und sinnlosen Kram in den Süden, 

den Mächtigen dort aufgedrängt,

und was Menschenjäger erjagten, 

dann tief in den Schiffsbauch gezwängt. 

aneinander zu Paaren gekettet, und 

viel Platz auf die Weise gespart,

um Angst unter Deck nicht gekümmert, 

nicht um Hunger und Durst auf der Fahrt.

Und die Segel gesetzt, in den Westen, 

mit Gier übers Meer navigiert,

Sklaven, geliefert ins Elend – 

Unzählige sind so krepiert.

Westindien hatte zu bieten, was 

in Europa Gewinne versprach,

bei der Fron auf den Zuckerplantagen 

mancher Sklave zusammenbrach,

der vorher im Schiffsbauch gelegen, 

überlebt kaum die Überfahrt,

um sein Leben in Qual zu beenden, 

an der Peitsche hat man nicht gespart.

In den Schiffsrümpfen wurde geladen, 

Rum und Zucker, was die Heimat verlangt

dort den Reichtum vermehrt und gehortet – 

für Geschäfte Fortuna gedankt.

Ausgeklügelter Dreieckshandel, 

der aufblühte, wie vorher nie,

gegründet die Glückstädter Gui-

neische Handelskompanie.

Mit Zuchthaus und Fürsorgeanstalt, 

wo man Notleidende drangsaliert,

hat die kleine Stadt an der Elbe 

früher sich lang profiliert.

Der Rhin fließ von Land in die Elbe, 

und die Flut steigt manchmal übern Deich,

Das Leben bleibt nirgends dasselbe, 

und Krabbenpuln macht keinen reich. 

Der Fluch, der die Göttin Fortuna 

auf Kirchturm und Wappen umhüllt,

von Händlern der Stadt aufgeladen, 

sich so lange in Glückstadt erfüllt,

wie die Abschiebeknast-Kaserne 

hier nun Menschen in Not isoliert,

bevor man, wie Glückstädter früher 

sie wie Sklaven weit weg deportiert.

© 2024 Gerd Schinkel