Wachtraum

 

Mach ich nur schwer die Augen auf,

wenn früh der Wecker schrillt,

hab ich aus meinen Träumen

vor mir immer noch dein Bild.

Und falln die Lider wieder zu,

kann ich auch nichts anderes sehn.

 

Steh ich im Bad vorm Spiegel

und erkenn mich nicht so leicht,

weil irgendeiner vor mir steht,

der nur entfernt mir gleicht,

hab ich eine Vision vor mir,

und kann ihr nicht entgehn.

 

Ich stell mich in die Dusche,

dreh für dich das Wasser warm.

Und träum im warmen Strahl,

ich hätte dich in meinem Arm.

Muss dann das Wasser kalt stelln,

denn sonst bleib ich nicht

allein im Regen stehn.

 

Sitz ich dann in der Straßenbahn

und quäl mich in den Tag,

begleitet mich Erinnerung,

wie ich nah bei dir lag.

Und blick ich in das Fensterglas,

seh ich darin nur dich.

 

Ich zwing mich aus dem Trugbild,

nehm den Alltag um mich wahr:

Hör Stimmen, rieche Duft,

komm manchem im Gedränge nah.

Ich schieb mich bis zur Tür durch,

und spür dabei nur dich.

 

Ich steig aus: Frische Luft tut gut

bei Halluzination.

Geh ein paar Schritte abseits,

und da gehts mir besser schon.

Sortier meine Gedanken,

und merk, stellenweise

wird es eng für mich.

 

Bin ich im Büro, wo mich

das Telefon bedrängt:

Keiner, der von mir nichts will

und sich nicht an mich hängt.

Sobald ich zum Hörer greife,

kann ich dich hören, laut und klar.

 

Ich les und schreibe, bis der Bildschirm

flimmert und verschwimmt.

Und merke, was die Seele braucht,

sie sich ganz einfach nimmt.

Ich spür, dass du mir fehlst,

und komm dir in Gedanken nah.

 

Ich trink ein paar Schluck Wasser,

überlass mich meinem Traum.

Stoß darin mit dir an.

Bin mit dir ungestört im Raum.

Verlier mich in der Phantasie

und frag nicht, was geträumt ist

und was wahr.

 

Copyright 2005 Gerd Schinkel

 

Der Versuch, sich in eine Situation zu versetzen, in der es schwer fällt, „aus bestimmten, benebelnden Gründen“ klare Gedanken zu fassen.