Spurensuche

 

Alte Freunde sehn.

Voreinander stehn:

Alt, so wie man selbst.

Was bleibt ohne Spur?           

An die Brust gedrückt –

gut am Bauch bestückt…

deutlich anders die Frisur...

 

Was hat sich getan?

Sag doch, fang schon an...

Leben auf manche Art –

nichts geht ohne Spur...

Was ist dir widerfahrn?

Was hast du getan? -

Wir schaun jetzt nicht auf die Uhr...

 

Einer zieht sich aus dem Sumpf.

Andre ziehts erst hinein.

Mancher legt sich auf den Bauch.

Mancher legt andere rein.

Was alles so passiert,

wenn man sich aus dem Blick verliert...

Wer zieht die Fäden,

die das Schicksal doch sortiert...?

 

Uwe hat sein Büro.

Hans wehrt sich sowieso.

Einer hier, der andere dort,

verliert sich manche Spur.

Uli ist Rechtsanwalt.

Bicki besucht mich bald...

Der Mensch stellt Fragen von Natur.

 

Wolfgang bangt um den Job.

Wilfried war ziemlich grob.

Vergisst, behält man viel?

Was führt auf falsche Spur?

Birgit fand wieder heim.

Frank ging auf den Leim.

Und manch Schicksal bleibt obskur.

 

Mancher trifft das große Glück.

Andern gehts aus dem Weg.

Manche kriegen nichts geschenkt.

Mancher braucht einen Steg.

Was alles so passiert,

wenn man sich aus dem Blick verliert...

Wer zieht die Fäden,

die das Schicksal doch sortiert...?

 

Gerd ging zu Mannesmann.

Ralph gab die Jusos dran.

Ines beim Parlament.

Wie verläuft die Spur?

Monika Anwältin.

Wo sind die andern hin?

Kein Weg geht noch mal retour.

 

Schäng übersetzt manch Wort.

Fine im Wein-Export.

Richard blieb beim Blues –

verschieden manche Spur...

Jutta im grünen Zank.

Wolfgang verließ die Bank -

jedem anderes widerfuhr.

 

Was war richtig? Was verfehlt?

Besser weiß mans hinterher,

beisst sich durch, so weit es geht –

und merkt, es geht nicht mehr.

Was alles so passiert,

wenn man sich aus dem Blick verliert...

Wer zieht die Fäden,

die das Schicksal neu sortiert...?

 

Gisbert ist Romancier,

Gaby in Übersee,

Steffen beim Radio.

Wo beginnt die Spur?

Chirurg ist Tom schon lang.

Gilla mit Bühnendrang –

manches Ziel verfolgt man stur.

 

Siggi hat Shakespeare gern.

Annette ging zum „STERN“.,

Stefan im Pflegeheim –

was verrät die Spur?

Suse Versicherung.

Paul hält der Jazz in Schwung –

Lebenswege mit Kontur.

 

Mancher neidisch. Mancher gönnt.

Mancher ist nur frustriert.

Mancher gibt niemals auf.

Ein anderer resigniert.

Was alles so passiert,

wenn man sich aus dem Blick verliert...

Wer wählt die Fäden,

die er jedem zusortiert...?

 

Karin war ich zu zahm.

Evelin Recht bekam:

Verfassungsbruch gerügt –

eine tiefe Spur.

Stefan zur Bundeswehr:

Da fiel das Trommeln schwer -

und im Nacken die Rasur...

 

Ludwig Klavier gespielt

und Frauke nachgeschielt.

Eva nach Bochum zog –

eine neue Spur.

Otto dann Gerti fand.

Peter am Tresen stand

nachts auf Schumann-Klausen-Tour.

 

Zeit vergeudet. Zeit vertan –

als hätte man genug.

Und dann hinterher gehetzt,

verstrickt in Selbstbetrug.

Was alles so passiert,

wenn man sich aus dem Blick verliert...

Wer reißt an Fäden,

die das Schicksal nie verliert...?

 

Alles so lange her...

Lilli lebt nicht mehr:

in Beirut abgeknallt. –

Von jedem bleibt ne Spur.

Von Ingo nichts gehört.

Von Herbert ungestört -

der Rückblick wird zur Inventur...


Tina für Eltern spricht.

Almut gibt Unterricht.

Den Bruch mit ihr verschmerzt.

Tief geht manche Spur.

Birgit macht Lehrer fit.

Kurt macht mit Holz sein Schnitt.

Manchmal beutelt Leben pur.

 

Mancher scheitert. Wer gewinnt?

Mancher hält die Ohren steif.

Und bei andern gehts nie los.

Manche sind schließlich reif.

Was alles so passiert,

wenn man sich aus dem Blick verliert...

Wer zieht die Fäden,

die das Schicksal ignoriert...?

 

Tiefer Blick ins Glas:

Über wie viel wächst Gras?

Manches nur verschwimmt.

Oft bleibt eine Spur.

Weit zurück gelehnt

und die Brust gedehnt -

und dann doch der Blick zur Uhr.

 

Manch Klippe gut umschifft...

Wer weiß, wen es noch trifft,

wer durch die Brandung muss,

wer Kurs hält in der Spur...

Alex macht Landwirtschaft.

Martina gibt mir Kraft -

so steh ich hier als Troubadour. .

 

Copyright 2005 Gerd Schinkel

 

Das Lied „Spurensuche“ entstand nach einem Wiedersehen mit Alex aus meiner alten Clique in Schülerzeiten. Er lebt heute auf einem Öko-Bauernhof, den er und seine Frau Ellinor gemeinsam mit Dagmar als Dritte im Hofverbunde in Ontario betreiben. Rund dreieinhalb Jahrzehnte nach unserer letzten Begegnung haben wir uns all diejenigen in Erinnerung gerufen, die unsere Wege gekreuzt haben und uns noch einfielen. Daraus entstand dieses Lied, in dem ich Freundinnen und Freunde erwähne, die mir in den Sechziger oder Siebziger Jahren vertraut waren. Zunächst war der Text nur halb so lang, doch dann wurde er länger und länger. Irgendwann sah ich mich deshalb genötigt, einen Schlussstrich zu ziehen. Das war dann eine zeitliche Zäsur, die etwa Ende der 70er Jahre liegt und das Ende meines Studiums markiert, bevor ich in den Beruf einstieg. Diejenigen, die sich vergeblich im Text suchen, bitte ich für die Nichterwähnung um Nachsicht.