Jugendlich
Sie rollt mit zehn ihr T-Shirt
hoch über den Bauchnabel und sagt:
„Jetzt bin ich jugendlich.“
Sie streckt den Bauch ein wenig vor,
dreht sich vorm Spiegel hin und her –
und fühlt sich jugendlich.
Sie träumt davon,
dass bis dahin die Jahre schneller vergehn,
dass die Jahre etwas schneller vergehn,
dass die Jahre vielleicht schneller vergehn,
bis es soweit ist…
Sie kauft mit zwanzig sich nur T-Shirts,
die ihr Nabel-Piercing zeigen –
das ist jugendlich.
Ihr Polster rollt sich, und ihr Arschgeweih:
So satt auf Speck am Heck –
das ist so jugendlich.
Sie träumt davon,
dass mit der Zeit die Polster von allein vergehn,
dass die Röllchen von alleine vergehn,
dass die Polster ganz alleine vergehn,
wenn es soweit ist…
Mit fünfzig reicht ihr T-Shirt
grad noch übern Busen. Trotzig sagt sie:
Ich bin jugendlich.
Sie zieht den Bauch zwar reichlich ein,
das Arschgeweih am Steiß ist breit –
doch sie ist jugendlich…
Sie träumt davon,
dass sie die Zeit vielleicht so anhalten kann,
dass sie die Zeit ein wenig festhalten kann,
dass sie die Zeit noch mal zurückdrehen kann –
träumt sie dann und wann…
Copyright 2005 Gerd Schinkel
Meine Kollegin Katja erzählte mir, dass ihre siebenjährige Tochter vor dem Spiegel ihr T-Shirt hoch gerollt hatte, um dann festzustellen, so sei sie jetzt jugendlich... Das ließ sich ausschmücken…