UNZEIT
Keine Zeit
für schöne Lieder,
nicht für Herz
und nicht für Scherz,
denn zuviel
läuft aus dem Ruder
und entschwindet
nebelwärts.
Dabei ist das,
was wir brauchen
gerade das,
was heute fehlt -
wenn an Zorn
und Wut zuviel ist,
gibt es mehr noch,
was doch zählt.
Keine Zeit mehr
für Romantik,
warme Worte,
Mondenschein.
Wenn die Wirklichkeit
sich nackt zeigt,
will man laut
dagegen schrein.
Woran glauben,
wenn nichts wahr ist?
Wenn nichts
überzeugen kann?
Womit sich
dann noch behaupten?
Wie fängt man
am besten an?
Keine Zeit
für heißes Sehnen,
nicht für Sonnen-
untergang,
nicht für Verse,
nicht für Reime –
mehr für Ungeduld
und Drang,
an der Zukunft
nicht zu zweifeln,
Gegenwart
nicht zu entfliehn,
aus Vergangenem
zu lernen,
eigene Rück-
schlüsse zu ziehn…
Wann wär Zeit
für schöne Lieder,
die ich auch
viel lieber sing?
Sind sie im
Moment zu leise?
Ihre Wirkung
zu gering,
wenn die Fähigkeit,
zu lauschen,
sich erholt,
regeneriert,
und Verlogenes
verklungen
in weiter Stille
sich verliert.
Dann wär Zeit
für Harmonien,
die im Wohlklang
sich ergehn,
und für aus-
gefeilte Worte,
die geschliffen
für sich stehn,
die getragen
von Akkorden
aus dem Kopf
nicht schwinden wolln,
die in Wärme
sich erschöpfen
und sich nicht
verlieren solln.
Copyright Gerd Schinkel