Gerd Schinkel - Ich kann auch anders - polit-lyrische Liederpalette

... und ob!!!

als politischer Journalist (hauptberuflich Redakteur, und damit Planer, Moderator, Kommentator in einem tagesaktuellen politischen Hörfunkprogramm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks) gehört es zu meiner täglichen Arbeit, mich mit Themen kritisch auseinander zu setzen, die "gerade passieren". Ich habe sie zu gewichten und zu bewerten, muss mir über meine eigene Position klar werden, mithin zumindest vor mir selbst Stellung beziehen, gelegentlich auch im Programm.

Ein politischer Kommentar ist geschrieben, gesendet - und damit Geschichte, es sei denn, es gibt darauf eine Reaktion, mit der man sich zu befassen hat.

Ein politisches Lied gibt der Stellungnahme eine längere Lebensdauer.

Während meines Studiums (Jura und politische Wissenschaften) habe ich in der Frühphase meiner "Liedermacherei" deutlich mehr "Protestsongs" geschrieben, orientiert am Vorbild von Phil Ochs und manchen anderen "topical singer/songwritern" in den USA, die über Nacht Zeitungsschlagzeilen zu Liedern machten und so das Thema mit eigener Bewertung weiter transportiert haben, auch zu denjenigen, die die Schlagzeile vielleicht gar nicht wahrgenommen hatten.

Nach Ende meines Studiums und dem Einstieg in meinen Beruf, vor allem nachdem aus der Möglichkeit zur politischen Stellungnahme nun die dauerhafte Herausforderung geworden und die Aufgabe zu erfüllen war, kommentierend - in Prosa - Stellung zu nehmen, war mir nach der Kommentierung häufig der Druck "entwichen", mich zu diesem oder jenem Thema kritisch öffentlich zu äußern. Der Antrieb für ein politisches Lied war damit oft nicht mehr groß genug.

Doch ich habe es nicht verlernt, und wenn ein Thema mich packt, ist auch kein Thema tabu. So kann man Reizthemen eben auch über die Lebensdauer einer Schlagzeile hinaus in der Diskussion halten.

Nicht anders sind in der Vorzeit der Informationsgesellschaften vor mehreren hundert Jahren die fahrenden Sänger und Händler mit Neuigkeiten vorgegangen, die ihrem staunenden Publikum auf den Marktplätzen aus der weiten Welt zu berichten wussten, häufig musikalisch untermalt.

Es passiert viel in der Welt, in der jeden Tag eine neue "Sau durchs Dorf gehetzt" wird, verfolgt von der Meute der Presse, die auf der Suche nach verkaufsfördernden Schlagzeilen wie die Trüffelschweine Skandalen hinterher jagen. Da sind manche tatsächlichen Unglaublichkeiten und Irrsinnigkeiten, Peinlichkeiten und Entsetzlichkeiten rasch unter den Teppich gekehrt und auch vergessen, sobald sie aus den Schlagzeilen verschwunden sind.

Ein Lied kann die Erinnerung wach halten, auf Parallelitäten verweisen, Zusammenhänge deutlich machen - und die Empörung schüren, um gegebenenfalls auch mal Widerstand zu leisten, und sei es nur durch Beifall zu einem Lied, das Missstände anprangert.