Gerd Schinkel - das erste Buch:
Überlebenslieder und Texte übers Leben
60 Texte und Lieder, zum Teil mit Noten und Akkordangaben, erschienen 1982 im Stuttgarter RADIUS-Verlag in der Blütezeit der Friedensbewegung.
Alle Texte der Lieder, bei denen sowohl die Lyrik als auch die Melodie von Gerd Schinkel sind, finden sich auch im Buch "besengesänge", erschienen 2009.
Zusätzlich sind in den "Überlebensliedern" auch 15 deutsche Texte (ohne Noten), die in Anlehnung an eine bereits vorhandene, fremdsprachige Lieder geschrieben wurden.
Das Buch kann beim Autor direkt bestellt werden. Preis: 2 Euro plus Porto
Mit einem Vorwort von Hanns Dieter Hüsch sowie Karikaturen von Jürgen von Tomei
Hier das Vorwort zu den „Überlebenslieder“
von Hanns Dieter Hüsch
Gerd Schinkel gehört nicht zu den Stillen im Lande der Liedermacher, er gehört zu denen, die oft und gerne übersehen und überhört werden. Übrigens auch von einigen Gesinnungsgenossen.
Das muss vorweg lapidar gesagt werden.
Dabei stellt sich bei der Durchsicht seiner Arbeiten, ob reines Lied oder purer Text, sehr schnell heraus, dass die deutsche Gesellschaft mit beschränkter Haltung sein Leib- und Magen-Thema ist. Seine Texte und Lieder sind nicht glamourhaft verpackt, sie hängen sich an keinem Reiztrend auf, sondern beim Hören und Lesen mögen den geschmäcklerischen Zeitgenossen unserer Szene Hören und Sehen sehr schnell vergehen.
Schinkel ist eine ehrliche Haut und alles Drumherum ist seinem Herzen fremd. Gleichgültig ob sein Text sich in den eigenen vier Wänden oder auf freiem Feld abspielt. Er schaut den Menschen auf Hand und Fuß, er sieht den faulen Zahn hinter der Goldplombe und ist gleichermaßen erfüllt von einer geradezu hektischen Begeisterung für alles, was standhält.
Er hat seine Vorbilder, die er aber für seinen „Durchblick“ ummünzt. Er denkt und leidet mit den Kindern, er warnt die Jugendlichen vor falscher Mode und tödlichem Rausch und setzt allem immer wieder Gemeinsamkeit, zumindest hoffnungsvolle Zweisamkeit entgegen und baut auf das demokratische Gespräch.
Ein bürgerlicher Utopist. Natürlich, deshalb gehen ihm auch seine kabarettartigen Song-Portraits von angepassten und verbrauchten Spießbürgern so leicht von der Hand, deshalb zieht er sich immer wieder einen Stuhl herbei, setzt sich mitten in alle Wohnstuben, um das Scheusal Mensch aus nächster Nähe zu betrachten und öffentlich anzuprangern. Ein leidenschaftlicher Rundum-Untersucher ist hier am Werk, der nicht nur mit dem Kopf, so scheint mir, sondern auch noch mit den Schultern durch die vermaledeite, ewig ausgewogene Wand der Mächtigen und Medien will.
Selbst oft ohne Halt, macht er keinen Halt, das heisst er bringt sich selbst immer so ein, dass er auch für uns etwas herausbringt. Tagesaktualitäten und zeitlose Analysen gehen abwechselnd durch seinen Kopf und was ganz wenige tun, er lässt auch Ungereimtheiten in der DDR nicht so ohne weiteres durchgehen. Was Wunder, dass manche Kneipen-Linke ihm nicht dauernd auf die Schulter klopfen.
Er ist wütend, weil er berechtigte Angst hat, er ist direkt, weil vieles schon zu spät sein könnte, wie beim „Störfall in Stade“. Er möchte, dass Bankiers und Diplomaten, Funktionäre und Bürokraten auch mal zum Militär gehen. Schon beim bloßen Lesen spürt man eine Intensität, um nicht zu sagen ein Feuer der Verzweiflung und der guten Hoffnung, eine runde Summe Sehnsucht nach endlichem Frieden, der so schwer zu machen ist.
„Alles für die Katz“, heißt es am Schluss seines „Nachlass“ aus dem Jahre 1969. Natürlich befällt ihn auch manchmal, wie uns alle, ein „alles umsonst“. Das gehört zu unserem widersprüchlichen Tun und Lassen. Doch wer so besessen, wer sich so lange schon verbrennt für eine Zeit, für eine Zukunft, in der alle zusammen leben und arbeiten können, ohne Furcht und ohne Urteil, ohne Hass und Hunger, ohne Neid und Nötigung, dem ist auch die revolutionäre Tugend namens „Geduld“ nicht unbekannt, der wird immer eine „andere Geschichte“ vor Augen haben. Die Geschichte der Menschen, die noch gar nicht begonnen hat. Und sicher wird, wenn eines fernen Tages dieses andere Geschichtsbuch aufgeschlagen wird, auch eine Strophe von Gerd Schinkel dabei sein.
1982