Gerd Schinkel - Essays

Reflektionen über Künstler, die dem Genre "Liedermacherei" ihre Stempel aufgedrückt haben

Wer sich - durchaus mit dem Wunsch, wahrgenommen zu werden - kreativ in einem künstlerischen Genre tummelt, hat gewiss Maßstäbe, die er zur Bewertung der Qualität eigener Arbeiten anlegt. Sie haben sich entwickelt, meistens aus Vorbildern, an denen man sich künstlerisch orientiert, aus Zielen, die man sich für die eigene künstlerische Arbeit setzt, aus der Auseinandersetzung mit anderen Künstlern, die das selbe Genre bedienen und an denen man sich "abarbeitet", nacheifernd oder kritisch, distanziert oder mit unversteckter Bewunderung.

 

Es sind nicht mal immer selbst gesuchte Auseinandersetzungen, sondern manchmal folgen sie auch Vergleichen, in die man als Künstler selbst hineingezogen wurde und deren Ergebnis irritiert zur Kenntnis nimmt. Wie rasch landet man in einer "Schublade", oberflächlich wahrgenommen und wegsortiert, ohne Chance zur Gegenwehr, ohnmächtig mit einem "Schicksal" hadernd, das man sich liebendgern erspart hätte. Doch was kann man dagegen tun?

 

Man kann darüber reflektieren, warum man ausgerechnet dort abgelegt wurde, wo man sich nicht wohlfühlt, kann den Gründen für das eigene Unbehagen an dieser Einsortierung nachspüren und versuchen, denjenigen gerecht zu werden, die sich bei der Einsortierung vielleicht gar nicht der Folge bewusst waren, dass sie damit Unbehagen auslösen könnten.

 

Reinhard Mey und Franz Josef Degenhardt stehen als stilprägende Künstler aus der ersten Nachkriegs-Liedermachergeneration zwar für das gleiche Genre - und doch für unterschiedliche Darstellungsformen. Sie sind beide weit über die eigentlich interessierte Szene hinaus bekannt geworden und haben damit Schablonen geliefert, mit denen ein weniger informiertes Publikum problemlos alle anderen "Liedermacher" zuordnen konnte: "Liedermacher? Ach ja - wie Reinhard Mey?" - oder eben "Liedermacher - so wie der Degenhardt?"

 

Dass es künstlerische Entwicklung geben könnte, die zumindest von diesen beiden Koryphäen unabhängig vonstatten gingen, kann offenbar den einen oder die andere aus dem eher eingeschränkt informierten Publikum erstaunen und sogar ihre Vorstellungkraft überfordern. Doch erklären kann man ja alles. Deshalb hier zwei Reflektionen über Künstler, an denen ich mich als Liedermacher im Laufe der Zeit mal mehr, mal weniger abgearbeitet habe, abarbeiten musste oder sollte, mal mit Vergnügen, mal mit der geballten Faust in der Tasche, mal ohne Zorn und Eifer.