DENK DICH FREI

 

"Die Gedanken sind frei wer kann sie erraten?
Sie fliehen vorbei wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen
mit Pulver und Blei: Die Gedanken sind frei!"

 

Das Denken ist frei? Kann ich es denn wagen,

was ich denken mag, auch ehrlich zu sagen?

Kann ich es riskiern, sie mir aufzuschreiben?

Was kann mir passiern? Lass ich's besser bleiben?

Ich denk, was ich mag, was mir durch den Kopf geht.

Frag nicht, wer's erlaubt - denk, dass es mir zusteht.

Lässt man es geschehn und denkt sich nichts dabei,

dann ist es längst vorbei - die Gedanken sind nicht frei.

 

"Ich denke, was ich will und was mich beglücket,
doch alles in der Still’ und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren kann niemand verwehren,
es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei!"

 

Wer heimlich belauscht, dem ist Freiheit zuwider,

er bricht ihr das Kreuz, dann liegt sie danieder.

Hörn Spitzel mir zu, ohne dass ich's erfahre,

ist Freiheit verreckt und liegt platt auf ner Bahre.

Was Geheimdienste tun - wie soll ich's ertragen?

Wen lässt das noch ruhn - aber darf man verzagen?

Lässt man es geschehn und denkt sich nichts dabei,

dann ist es längst vorbei - die Gedanken sind nicht frei.

 

"Und sperrt man mich ein im finsteren Kerker,
das alles sind rein vergebliche Werke.
Denn meine Gedanken zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei: Die Gedanken sind frei!"

 

Weil sie jedem misstraun, lässt man uns überwachen,

und reimt sich zusammen, was wir alles machen.

Man liest und zitiert Briefe, Mails und Papiere.

Sie notiern, was ich sage, wenn ich telefoniere.

Stelln wir kritische Fragen, werden wir nur belogen,

verschwiegen, verharmlost, die Wahrheit verbogen.

Lässt man es geschehn und denkt sich nichts dabei,

dann ist es längst vorbei - die Gedanken sind nicht frei.

 

"Drum will ich auf immer den Sorgen entsagen
und will mich auch nimmer mit Grillen mehr plagen.
Man kann ja im Herzen stets lachen und scherzen
und denken dabei: Die Gedanken sind frei!"

 

Selbst Kanzler-Gespräche belauscht mit Antennen -

Berlin ist empört - wacht auf nach dem Pennen...

Woher nun der Zorn? Darf man andere belauschen?

Ist das weniger schlimm? Warum mag man nicht tauschen?

Im Weißen Haus will man die Wogen nur glätten,

hält nichts für ein Drama - wozu dann was retten?

Lässt man es geschehn und denkt sich nichts dabei,

dann ist es längst vorbei - die Gedanken sind nicht frei.

 

"Ich liebe den Wein, mein Mädchen vor allen,
sie tut mir allein am besten gefallen.
Ich bin nicht alleine bei meinem Glas Weine,
mein Mädchen dabei: Die Gedanken sind frei!"

 

Kriegt Snowden Asyl zum Dank? Als Belohnung?

Ihm liegt ziemlich viel an ner sicheren Wohnung.

Da klemmt man den Schwanz ein - die Schwarz-Roten kneifen,

sie könn's nicht kapiern - oder wollns nicht begreifen.

Man könnt sich erinnern - es gibt alte Lehren,

aus denen man lernen könnt - man muss sich wehren...

Lässt man es geschehn und denkt sich nichts dabei,

dann ist es längst vorbei - die Gedanken sind nicht frei.

 

"Die Gedanken sind frei wer kann sie erraten?
Sie fliehen vorbei wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen
mit Pulver und Blei: Die Gedanken sind frei!"

 

Mancher beschwichtigt: Das bisschen Belauschen

braucht man aber wirklich nicht so aufzubauschen -

Stellt Euch nicht so an, keiner kommt unter Räder,

wenn der's macht, der's kann, schließlich macht es doch jeder.

Aber muss man es schweigend auch noch unterstützen?

Gibt's nirgends ein Mittel, sich davor zu schützen?

Man denkt sich sein' Teil, aber zweifelt dabei:

Ist es längst schon vorbei? Nur wer schweigen mag, ist frei?

 

Die Gedanken sind frei?... Das kann man bestreiten.

Man lernt so allerlei in NSA-Zeiten:

Man will ganz gerissen von dir alles wissen,

Denkst Du, dass dies unmöglich sei,

na, dann denk Dir doch, Du denkst frei.

 

zitierte Strophen des Volksliedes nach Hoffmann von Fallersleben

Ergänzungen Copyright 2014 Gerd Schinkel