Abrechnung

 

Wer kannte die Herrn in schwarzen Roben?

Hochmut umwoben? Wer kennt sie noch?

Herrn, die sich stets die Karten zuschoben,

Nase hoch oben - da ist sie noch.

 

Das war Daumier mit dem Griffel.

Der hat sie in Bilder gebannt.

Das war Daumier mit dem Griffel.

Der hat sie am besten gekannt.

 

Er sah hindurch, zerriss die Fassade,

die Maskerade, entlarvt sie noch.

Vor seinem Spott gabs keine Gnade:

Der schärfste war gerade gut - ist es noch.

 

Das war Daumier mit dem Griffel.

Der zog sie aus, bis auf die Haut.

Das war Daumier mit dem Griffel.

Der hat sie am besten durchschaut...

 

Er zeichnete die Menschenverachtung.

Und bei Betrachtung: Gibts die nicht noch?

Für arme Teufel gabs keine Achtung,

blieb nur Missachtung. Ists so nicht noch?

 

Das war Daumier mit dem Griffel.

Der hat ihre Ohren „gefeigt“.

Das war Daumier mit dem Griffel.

Der hat die Juristen gezeigt!

 

Sicher gabs auch ein paar Advokaten,

die Besseres taten - die gibts auch noch.

Sie sind Gewürze im Unkrautgarten.

Auf mehr davon warten wir heute noch...

 

Das war Daumier mit dem Griffel.

Der hat sich nicht lange geziert.

Das war Daumier mit dem Griffel.

Der hat sie am besten skizziert.

 

Ach, Daumier, die Herren der Rechte

warn damals Knechte - sind sies nicht noch?

Du hattest Scharfblick, zeigtest das Schlechte

und Ungerechte - und zeigst es noch.

 

Das war Daumier mit dem Griffel.

Ist er nicht immer noch da?

Das war Daumier mit dem Griffel.

Mensch, heut ist noch soviel dran wahr!

 

Daumier vor mehr als hundert Jahren:

Es scheint, die Zeit blieb fast stehn.

Daumier in heutigen Tagen –

würd er nicht das Gleiche noch sehn? Na?

 

Copyright 1979 Gerd Schinkel

 

ich habe 16 Semester Jura studiert. In der Endphase dieses Traumas kurz vor meinem zweiten – entscheidenden – Examensanlauf besuchte ich in Bonn eine Ausstellung mit Werken von Honoré Daumier, bei der auch Juristenkarikaturen gezeigt wurden. Obwohl hundert Jahre zuvor gezeichnet, sahen die Juristen immer noch so aus wie heute... Ich verließ die Ausstellung relativ beschwingt - und um dieser Beschwingtheit Ausdruck zu verleihen, hab ich als musikalisches Transportmittel für dieses Lied einen Musettewalzer gewählt, das mir dabei half, mein Juristen-Trauma zu bewältigen.... geschrieben 1979