Aufzug

 

Drei kalte Wände: Glatt, glänzend – Metall.

Längs zwei Schritt Abstand, quer eher schmal.

Aber keiner, keiner bremst sein Schritt.

Niedrige Decke: Sechs mal grelles Licht.

Senkrechte Strahler. Rundum dicht.

Rascher Einstieg: Ich will auch noch mit!

 

Sechs Männer, davon drei korpulent.

Ein Nicken - nicht dass man sich besser kennt...

Drückt auf den Knopf - nach unten, nicht weit:

Die vierte Wand schließt für geraume Zeit…

 

Abwärts die Reise kurz - längst nicht am Ziel:

Ein Schlag - dann Stillstand: Nicht mehr mobil.

Jeder staunt - und überspielt den Schreck.

Der Tastendruck: Wiederholt ein paar mal.

Nichts sich bewegt: Anscheinend Lage fatal...

Jeder grübelt und versteckt den Schreck.

 

Anruf beim Pförtner: „Bitte Geduld –

ist nichts passiert!“ - Den Pförtner trifft keine Schuld.

Beim Warten scherzen. Minuten vergehn.

Nichts geschieht - doch langsam sollt was geschehn.

 

Luft und Platz und Raum –

aus der Traum, aus der Traum...

Weder Platz, noch Raum, noch Luft –

streng der Duft.

Angst die Brust beklemmt,              

was das Atmen hemmt...

Angst die Brust beklemmt,              

was das Atmen hemmt...

 

Sakkos ausgezogen. Locker der Schlips.

Alptraumphantasie. Sechs Horrortrips.

Halogen auf Scheiteln brennt so heiß.

Der Platz, für acht gedacht, reicht kaum aus.

Distanz? Unmöglich! Keiner kann raus.

Von den Stirnen perlt der kalte Schweiß.

 

Handys gezückt: Glück - man hat Empfang!

Gewählt den Notruf -  Mann, das dauert lang!

Außen Stimmen! Was sich draußen tut?

Klopfen und Rufen! Ja ! Man hört uns gut…

 

Luft und Platz und Raum –

aus der Traum, aus der Traum...

Weder Platz, noch Raum, noch Luft –

streng der Duft.

Angst die Brust beklemmt,

was das Atmen hemmt...

Angst die Brust beklemmt,

was das Atmen hemmt...

 

Doch noch ein Panikanfall - geht vorbei.

Ein paar Minuten noch, dann wieder frei...

Doch nichts tut sich! Was geht draußen vor?

Sag irgendwas, Hauptsache es lenkt ab!

Kraft und Nerven sparn! Macht einer schlapp?…

Seid mal leise! Was dringt da ans Ohr?

 

„Will raus hier“ – Fäuste trommeln laut an die Wand.

Quälende Ohnmacht raubt beinah den Verstand.

Ein lautes Hämmern. Von außen, ein Ruck –

Die Tür wird aufgeschoben. Nach lässt der Druck...

 

Luft und Platz und Raum –

ein Schreck! Kein Traum, war kein Traum.

Wieder Platz und Raum. Und Luft

verdrängt den Duft.

Und die Brust befreit

war höchste Zeit, höchste Zeit.

Und die Brust befreit

war höchste Zeit, höchste Zeit.

 

Copyright  2006  Gerd Schinkel

 

Am 8.6.2006 habe ich spät abends eine Stunde unfreiwillig im Bonner Seniorenstift Augustinum in einem feststeckenden Verwaltungs-Aufzug verbracht - eine Erfahrung, die ich keinem wünsche, auch wenn sie "interessant" war. Das Gefühl, hilflos ausgeliefert zu sein, auf engstem Raum in einer Zufallsgemeinschaft zusammengepfercht, nichts selbst an seinem eigenen Schicksal ändern zu können, die ersten peinlichen Konsequenzen vor Augen, wenn denn die Kontrolle der eigenen Körperfunktionen nicht mehr gelingen könnte, mit ersten Anzeichen, dass jemand in absehbarer Zeit die Nerven verlieren wird - das Erlebnis muss nicht wiederholt werden.