Kompromisslos geheuchelt

 

Nichts sehn, nichts hörn, kein Ton sagen -

stattdessen in der Nase bohrn.

Sich nicht wehren, nichts riskieren, nichts wagen.

Würde hat man schon längst verlorn.

Wie schlägt man so einfach die Tür zu?

Wie kriegt man das kaltherzig hin?

Zugeknallt unmittelbar vor der Nase -

Hauptsache ist ja, man ist selbst mitten drin.

 

Die einen verdursten im Sande,

andere ertrinken im Meer

andere zeigen uns deutlich:

Glaubwürdig glauben ist schwer.

Jesus, Maria und Josef sind

auf anderem Weg von weit her -

hier sitzt man an prall vollen Tischen,

mit Herzen so hohl und so leer

 

Refrain:

 

Da fällt man beinah ab vom Glauben,

hält es fassungslos für kaum wahr.

gnadenlos Härte zu zeigen -

kompromisslos, eiskalt und glasklar

 

Christlich gibt man sich im Namen,

trägt’s wie ne Monstranz vor sich her.

Die schutzsuchend her zu uns kamen,

die verweist man aufs offene Meer.

Sieht keinen Grund zu reagieren,

sagt, dass man nicht zuständig sei.

Man sagt, retten könnt’ man nicht alle –

Lebensrecht ist wohl hier einerlei…

 

Man hält sich für glaubhaft integer,

für standhaft prinzipienfest,

meint, man sei es sich doch so schuldig,

dass man keine Zweifel zulässt.

Man hält es für seinen Auftrag

und für seine Staatsbürgerpflicht,

erbarmungslos sich zu erweisen -

christlich ist das gewiss nicht.

 

Und kommt eine Frau in die Klinik,

schwanger, jedoch ungeplant,

die eine Geburt nicht verantworten mag,

sie wird unmissverständlich gewarnt.

Abtreibung sei zu bestrafen,

Leben zu nehmen, sei Mord –

Man schützt einen Zellhaufen im Uterus –

doch zum Mord im Meer sagt man kein Wort.

 

Und wenn einer hoffnungslos leidet,

sein Leben ihn ängstigt und schreckt,

er Hilfe erfleht, um zu sterben,

man verlangt, dass er leidend verreckt.

bestraft wird, wer Lebenden rettet,

auch wer Sterbende vom Leiden erlöst,

und wer auf die Heuchelei hinweist,

auf Unverständnis nur stösst.

 

 

Copyright 2018 Gerd Schinkel