DER LIBERALE HOFFNUNGSTRÄGER

 

Ein FDP-Jüngling, beim Wochenmarkt am Rand,

steht überzeugungsfreudig an nem Infostand.

Er will für seine Liberalen eifrig werben.

Denkt, ohne sie, da würde dieses Land verderben.

Er wartet, dass man auf ihn zugeht, mit ihm spricht.

Er geht auch selbst auf Leute zu, passiert das nicht…

Er folgt dem Opa, der war auch in der Partei,

und ganz genau wie er im Landtag mit dabei.

 

Er hat ein Parlamentsmandat über die Liste.

Für sich sieht er darin ne Schanze, keine Piste.

Da wo er hin will, ist die Luft sauerstoffarm -

Er sucht den Weg direkt, nutzt seinen jugendlichen Charme.

Er ist als Abgeordneter noch jung an Jahren,

hat in der kurzen Zeit noch nicht so viel erfahren.

Er plappert nach, was die Partei vorformuliert,

und glaubt, wenn er das tut, dass er nicht viel riskiert.

 

Er denkt, er kann schon ganz geschickt argumentieren,

könnt in Gesprächen überzeugend formulieren.

Er steht gebügelt und gescheitelt, ganz adrett -

wenn er doch wenigstens ein bisschen Ahnung hätt.

Vermutlich bleibt er stets nur unter seinesgleichen

in einer Blase zwischen gut betuchten Reichen,

und wird dort nie mit Existenznot konfrontiert,

und das erklärt, warum es ihn nicht interessiert.

 

Man hört aus dem, was er da auswendig gelernt hat,

dass vom realen Leben er sich weit entfernt hat.

Und glaubt auch, keiner legt ihm Steine in den Weg.

Dass er im Landtag ist, das nimmt er als Beleg.

Er träumt von Macht und Einfluss, von steiler Karriere,

und überwindet spielend jegliche Barriere.

Den gut Verdienenden soll es noch besser gehn -

und er versteht nicht, dass das manche nicht verstehn.

 

Er setzt sich ein für seine Klientel und Wähler

erfolgreich als Korinthenkacker, Erbsenzähler.

Er wird Berufspolitiker, so ist es lang geplant.

Er hatte Gönner, die ihm seinen Weg gebahnt.

Als Schüler war er bei den jungen Liberalen,

die sich das Leben in blau gelben Farben malen.

Was er für sich mitnehmen kann, das steckt er ein -

so frei, wie er ist, kann nun mal nicht jeder sein.

 

Er kriecht und hangelt sich von ei‘m zum andern Posten.

Wenn man genau hinsieht, auf anderer Leute Kosten.

Er ist als hoffnungsvoller Nachwuchs gut am Start,

und weiß, die Art von Arbeit wird für ihn nie hart.

Am Infostand verteilt er blau-gelbe Prospekte,

die mancher ungelesen in den Abfall steckte.

Ich hab mir‘s geben lassen - kriegt bloß keinen Schreck:

Ich nehme häufig jeden Dreck - dann ist er weg.

 

© 2022 Gerd Schinkel